08 Nicolas Mahler: Was sind Comics eigentlich?
Shownotes
»Kunst ist es nicht, Literatur ist es nicht. Comic ist halt irgendwo dazwischen«, sagt Nicolas Mahler, österreichischer Comic-Zeichner, Illustrator und Dichter. Wir haben uns mit ihm über seinen Werdegang als Zeichner, die Comic-Szene in Frankreich sowie die verschiedenen Typen von Comics – vom Cartoon bis hin zum Strip – unterhalten. Um literarische Werke in Comics zu verwandeln, braucht es für ihn den passenden Humor, eine dichte Geschichte mit möglichst wenigen Orten und Figuren: Ein gutes Beispiel hierfür sind die Werke von Thomas Bernhard, von denen Nicolas Mahler bereits mehrere als Comic adaptiert hat. Mehr über Mahlers Arbeitsweise und seine neue Stelle als künstlerischer Leiter der Schule für Dichtung erfährt man in der neuen Folge von Tonspur BUCHKULTUR.
Nicolas Mahler, geboren 1969, lebt und arbeitet als Comic-Zeichner und Illustrator in Wien. Seine Comics und Cartoons erscheinen in Zeitungen und Magazinen wie Die Zeit, NZZ am Sonntag, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und in der Titanic. Für sein umfangreiches Werk wurde er bereits mehrfach ausgezeichnet; u. a. erhielt er 2010 den Max und Moritz-Preis als »Bester deutschsprachiger Comic-Künstler«, 2015 den Preis der Literaturhäuser und 2019 den Sondermann-Preis. Mahler ist künstlerischer Leiter der Schule für Dichtung in Wien.
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Transkript anzeigen
00:00:00: [Musik]
00:00:20: Herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe des Podcasts "Tonspur BUCHKULTUR".
00:00:25: Mein Name ist Petra Gruber und ich begrüße hier einmal im Monat Autorinnen und Autoren
00:00:29: Leute, die Bücher lieben und Personen, die an der Produktion von Büchern beteiligt sind.
00:00:34: Bei mir zu Gast ist heute Nicolas Mahler, Comiczeichner, Illustrator und auch Dichter
00:00:41: und mit ihm spreche ich über den Unterschied zwischen Comics, Mangas, Graphic Novels
00:00:47: und über seine neue Tätigkeit als künstlerischer Leiter der Schule für Dichtung,
00:00:52: die er mit Beginn dieses Jahres übernommen hat. Herzlich willkommen bei uns.
00:00:56: Nicolas, dein Oeuvre Umfass inzwischen mehr als ja mindestens 50 Bände.
00:01:02: Deine Literaturadaptionen in Comicform sind in zahlreichen Ländern erschienen.
00:01:08: Von Musil zu Bernhard, von Kafka zu Joyce bis zu Jelinek.
00:01:12: Nichts, was Rang und Namen hat, ist vor Dir sicher, könnte man sagen.
00:01:17: Wie wählst Du denn deine Stoffe aus?
00:01:19: Auf jeden Fall nach dem Humorfaktor.
00:01:22: Bei mir wird ja doch immer oder zumindest ist es beabsichtig, dass es komisch wird.
00:01:27: Da fallen ja eigentlich schonmal viele weg, weil ich will ja keine Parodie zeichnen auf irgendein ernsthaften Roman.
00:01:34: Sondern ich suche mir schon Werke aus, wo der Humor drin ist, den ich dann noch ein bisschen hervor modellieren kann
00:01:40: oder betonen kann. Das heißt, das ist einmal das Wichtigste.
00:01:44: Das Zweite ist, ich bin weniger an Handlungen interessiert.
00:01:48: Ich so an Momentaufnamen oder Ausschnitten oder Sätzen, die mich inspirieren.
00:01:53: Das heißt, ich will ja kein Buch nacherzählen und jetzt Romane mit vielen Figuren und vielen Orten.
00:02:01: Das ist für mich dann schon schwieriger.
00:02:04: Also jetzt beim Thomas Bernhard, das war ja mein erstes Buch "Alte Meister" für Suhrkamp.
00:02:08: Die haben mir eigentlich gesagt, ich kann mir irgendein Buch aus ihrem Katalog aussuchen, das ich zeichnen möchte.
00:02:13: Da ist mir natürlich Bernhard eingefallen, a wegen dem Humor, b es spielt nur im K.H.M., also im Museum.
00:02:19: Und es gibt ja nur eigentlich zwei Figuren. Also sowas ist für mich das ideale Buch zum Zeichnen.
00:02:26: Als Meister der Verdichtung suchst du dir schon was, was verdichtbar ist?
00:02:32: Ja, entweder ist es eh schon verdichtet oder zum Beispiel beim Musil,
00:02:38: war es natürlich schwieriger, weil er hat schon relativ viele Charaktere.
00:02:41: Und da muss ich natürlich schauen, meine Zeichnungen sind ja doch sehr einfach.
00:02:45: Das heißt, so Figuren kann man ja bei mir oft noch unterscheiden.
00:02:49: Seien sie klein und dick oder groß und dünn. Die Frauen haben eine Frisur, die nach oben steht oder zur Seite.
00:02:54: Und so bin ich schon einmal beschränkt.
00:02:57: Das heißt, mehr als vier Frauen gehen sie nicht aus, damit man sie auskennt.
00:03:00: Also Jane Austen wären unmöglich für mich zu zeichnen. Die müsste ich durchnummerieren wahrscheinlich, wie bei einem Fußballteam, damit man weiß, wer wer ist.
00:03:08: Und das heißt, beim Musil zum Beispiel habe ich es dann so gemacht, dass ich dann verschiedene Figuren, also drei zum Beispiel,
00:03:15: die so ähnlich sind vom Status her oder so, dass ich die dann zusammengezogen habe zu einer.
00:03:22: Auch beim James Joyce, Ulysses, da habe ich eigentlich auch aus den zwei Figuren eine gemacht.
00:03:27: Also das ist nun mehr der Bloom übergeblieben
00:03:31: Und der Stephen ist eigentlich auch in den Bloom hineingemörft, der trinkt gern und der Bloom nicht.
00:03:37: Und bei mir trinkt dann halt der Blum. Also das ist dann die zweite Figur in der einen zusammengezogen.
00:03:43: Also das sind schon leichte Verfremdungselemente und Veränderungen, die du dann vornimmst in der Verdichtung.
00:03:49: Das schon, aber ich schaue schon, dass ich nur Texte vom Roman nehme.
00:03:54: Also ich schreibe nichts dazu oder so. Also ich kürze nur und ziehe zusammen.
00:03:58: Aber es ist alles genau so in der Vorlage drinnen.
00:04:01: Was mich noch interessiert ist, du hast ja von dem Kanon der Bücher, die du bearbeitet hast,
00:04:07: sind sehr, sehr starke Männerfiguren und sehr wenige Frauen jetzt in der Relation.
00:04:13: Du hast dich mit der Elfriede Jelinek beschäftigt und mit Romy Schneider und mit Alice im Wunderland aber jetzt als Figur.
00:04:23: Also eigentlich, wenn ich es richtig sehe, nur zwei starke Frauenfiguren, die dich länger beschäftigt haben. Wie kommt es?
00:04:31: Stimmt. Naja, jetzt sitze ich gerade an Mayröcker. Also das wird jetzt ein bisschen mehr.
00:04:37: Ja, das ist natürlich schon was, was ich mir auch überlegt habe.
00:04:41: Ja, das kann man eigentlich nicht erklären. Das ist halt einfach so.
00:04:46: Ich meine, der Bernhard war klar, was war dann noch H.C. Artmann.
00:04:49: Ja, das hat sich einfach so entwickelt. Da habe ich eigentlich auch keine Erklärung.
00:04:54: Ich sage ja nicht, nein, es gibt schon, ich würde zum Beispiel mal gerne Carson McCullers würde ich gerne machen.
00:05:00: Aber es gibt natürlich schon auch viele, wo man sagt, das funktioniert rechtlich auch gar nicht.
00:05:05: Ah okay, ja. Also es ist auch gar nicht so leicht. Also bei der Jelinek war es zum Beispiel das Glück, dass sie tatsächlich das gestattet hat.
00:05:12: Weil sie dich mag und kennt?
00:05:14: Das weiß ich gar nicht. Wir haben ja nur über unsere Lektor/innen kommuniziert.
00:05:19: Also das hat da gar keinen Direkten. Sie ist ja sehr zurückgenommen und ich wollte sie da auch nicht belästigen.
00:05:25: Das ist dann eher so indirekt gegangen, aber ich habe noch gehört, sie ist sehr glücklich mit dem Buch.
00:05:29: Das freut einen dann auch.
00:05:31: Ja, natürlich.
00:05:32: Und wie kommt man dazu, sämtliche Filme von Romy Schneider zeichnen zu wollen?
00:05:37: Das war eine idiotische Idee, weil ursprünglich hat es so begonnen, ich habe ja die Philosophiegeschichte gezeichnet in einem Buch "Partyspaß mit Kant".
00:05:47: Da habe ich ja alle möglichen Texte gelesen und dann hat der Verlag gemeint, naja, weil sie wissen, ich bin sehr Film-Affin.
00:05:54: Wollen sie so was nicht mit Filmen auch machen?
00:05:56: Und dann habe ich mir das durch den Kopf gehen lassen und dann wollte ich eigentlich ein Projekt machen mit vergessenen Filmemacherinnen.
00:06:03: Also eine Kurzbiografien, das wäre auch wieder so ein Thema gewesen, um von den Männern wegzukommen und weils mich auch tatsächlich sehr interessiert.
00:06:11: Und da gibt es ja wirklich gute Autobiografien von vergessenen Filmemacherinnen.
00:06:16: Zum Beispiel die Mädchen in Uniform, die erste Version gedreht hat, war eine sehr faszinierende Figuren, und auch eine sehr gute Autobiografie.
00:06:23: Und das wollte ich dann so machen.
00:06:25: Das hat sich auch aus den verschiedensten Gründen nichts geworden.
00:06:28: Dann habe ich im Zuge der Recherche, glaube ich, zwei Zitate von der Romy Schneider gefunden, die mich sehr interessiert haben.
00:06:34: Zum Beispiel, dass sie gesagt hat, sie hat 58 Filme getreten und nur zehn davon waren nicht völlig misslungen.
00:06:40: Sehr streng, also sehr workaholic, sehr große Produktivität, aber sehr streng.
00:06:48: Also wie Kafka eigentlich.
00:06:50: Dann habe ich mir die Filmografie angeschaut und dann habe ich mir gedacht, was hat sie eigentlich wirklich für so Filme gemacht?
00:06:56: Da ist mir aufgefallen, dass die Filmografie ja so unterschiedlich ist.
00:07:00: Also da war ja wirklich alles dabei.
00:07:03: Erstens natürlich beginnend in den 50er Jahren mit diesen Heimatfilmen, wo dann im Vorspann steht "Berater für Hofzeremoniell" zum Beispiel diese Filme.
00:07:12: Und 20 Jahre später steht dann im Credit "Organisation der Schlägereien".
00:07:17: Da ist dann so der Sprung.
00:07:19: Also 20 Jahre später, und das ist diese Bandbreite.
00:07:22: Die Organisation der Schlägereien war eine Nachblende, der war wahrscheinlich härteste Film, kann man sagen.
00:07:28: Und dann bin ich auch sehr typografisch interessiert und habe mir dann diese ganzen Filme angeschaut und mir ein Standfoto gemacht vom Titel.
00:07:37: Und habe sie gezeichnet in der jeweiligen Rolle und die Typografie nachgezeichnet, genauso wie sie im Vorspann waren.
00:07:43: Das ist natürlich auch faszinierend, weil genauso wie sich die Gesellschaft geändert hat.
00:07:48: Und die Figuren, die sie da verkörpert hat und die Rolle der Frau in den Filme ist ja auch sehr interessant zum Beobachten.
00:07:56: Und die Typografie und so und die Kostüme und die Art von Filmen, einfach zwischen eben zwischen diesen, also vor allem zwischen 55 und 75,
00:08:06: wo die Nachblende dann war in den 20 Jahren, ist ja so viel passiert im Kino und überhaupt.
00:08:12: Dass ich ich mir gedacht hab, das ist eine kurzweilige Tätigkeit, die man nicht mit vielen Schauspielerinnen wahrscheinlich machen kann,
00:08:20: weil sich die nicht so arg verändert haben.
00:08:23: Also da ist ja fast jährlich irgendein Sprung drinnen.
00:08:28: Und dann ist das Buch erschienen und dann habe ich einmal gegoogelt.
00:08:32: Da war gerade die Vorankündigung draußen und in so französischen Romy Schneider Fan-Foren,
00:08:37: hat es dann gleich Hassmails gegeben, dass sie bei mir nicht schön ist und nicht so hübsch ist und nicht so große schöne Augen hat,
00:08:44: sondern immer so traurig und verkniffen ausschaut und so.
00:08:47: Aber die Tochter von der Romy Schneider findet es gut, zum Beispiel, deshalb, finde ich auch positiv.
00:08:52: Weil das war natürlich schon ein...
00:08:54: Es ist alles immer schwierig, wenn man jemanden als Comicfigur zeichnet,
00:08:58: macht man ja sie zur Comicfigur oder zur Witzfigur im schlechtesten Fall.
00:09:02: Und das ist natürlich immer so ein Ding von Fingerspitzengefühl.
00:09:06: Verantwortung.
00:09:08: Ja, dass man jetzt nicht auf einen billigen Lacher geht oder dass man jetzt so sein will,
00:09:12: dass die Figur trotzdem ernst nehmen.
00:09:14: Aber dann doch auch den Witz, ich habe dann auch ihre Tagebücher und so gelesen
00:09:19: und den Swimmingpool kommentiert sie ja im Brief an eine Freundin zum Beispiel.
00:09:24: "Dauernd Pool rein, Pool raus, was für ein Beruf.
00:09:29: Das ist schon lustig.
00:09:30: Na ja, immerhin hatte sie Alain Delon dabei.
00:09:34: Gibt es vielleicht schlimmeres.
00:09:37: Da gibt es schon oder...
00:09:40: Sissi hing an mir wie Grießbrei und solche Aussagen gibt es ja von hier.
00:09:44: Wobei ich da nachher gelesen habe, Claude Chobrol hat gemeint,
00:09:47: mit dem hat er sich überhaupt nicht verstanden, hat gemeint.
00:09:50: Er hat eine Person kennengelernt, die keinen Sinn für Humor gehabt hat.
00:09:55: Und das war Romy Schneider.
00:09:57: Würdest du nicht sagen?
00:09:58: Nein, würde ich nicht sagen.
00:09:59: Sie hat sogar einen sehr, also einen natürlich geschuldet den ganzen Enttäuschungen
00:10:04: und den Problemen, sie hat halt schon einen sehr aggressiven,
00:10:08: harten Humor eigentlich in manchen Aussagen,
00:10:10: der eigentlich schon in Richtung Thomas Bernhard geht,
00:10:14: von dieser Aggression her ein bisschen.
00:10:18: Der aggressive Witz.
00:10:20: Aggressive Humor ist eine interessante Kombination.
00:10:24: Ja, kann funktionieren, aber muss auch nicht.
00:10:27: Es gibt ja, es kann auch ein ganz übles Genre auch sein.
00:10:32: Hast du dann geträumt von Romy in der Phase?
00:10:35: Nein, das eigentlich nicht, aber es war natürlich schon so,
00:10:38: dass ich die, ich habe ja dann immer so Kürzel für diese Figuren,
00:10:42: so wie bei Kafka der Mittelscheitel.
00:10:44: Und bei ihr ist es die breite Nasenrücken,
00:10:47: oder wie man das nennt, da oben.
00:10:49: Und da habe ich dann teilweise schon vorm einschlafen,
00:10:52: dann wenn ich dann auf den Vorhang geschaut habe,
00:10:54: in einem Hotel oder so, und dann hab ich mir gedacht,
00:10:57: Die Nase von Sissi gesehen. Ah, jetzt weiß ich, wie ich die Nase zeichnen muss,
00:11:00: oder so, das hat man dann schon so Erscheinungen,
00:11:02: wo man dann so auf, ah, jetzt weiß ich,
00:11:05: welche Linie dahin gehört oder so.
00:11:07: Es nimmt dann Besitz von dir?
00:11:09: Ja, natürlich.
00:11:10: Aber das Lustige war auch bei dem Romy Schneider Projekt,
00:11:13: das ist mir dann oft in Gesprächen und Interviews,
00:11:16: hat es immer wieder die Frage gegeben.
00:11:18: Also ich habe den Ulysses aus dem Englischen selbst übersetzt
00:11:21: und gezeichnet.
00:11:23: Ich habe "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" komplett gezeichnet.
00:11:26: Ich habe Kafka komplett gelesen und gezeichnet.
00:11:29: Und das Einzige, wo die Leute echt beeindruckt sind,
00:11:33: ist immer, "Und Sie haben wirklich alle 58 Filme
00:11:37: von der Romy Schneider gesehen? Das ist echt eine Leistung."
00:11:41: Na schau, ich habe Sie auch so eingeleitet, sozusagen.
00:11:44: Mit großer Bewunderung. Da waren ja viele, da waren ja viele 50er-Jahre-Schmonzetten dabei,
00:11:48: aber die aber wirklich die größte Leistung war, die auszuhalten.
00:11:52: Ja, schon am Ende bleibt Romy Schneider, du kannst nichts machen, das ist so.
00:11:56: Ja, die überstrahlt.
00:11:58: Die überstrahlt, ja.
00:12:00: "Mann ohne Eigenschaften" forget it, am Ende bleibt Romy.
00:12:04: Wir sind ja jetzt schon sehr, sozusagen, in der Erstellung
00:12:08: und Konzeption von einem Werk, also quasi ein Stoff und was du draus machst.
00:12:12: Ich würde gerne zu Beginn nur so ein bisschen die Begriffe klären,
00:12:15: weil als Normalleser hat man immer so gewisse Begriffe im Kopf,
00:12:21: wenn es ums Zeichnen geht, wenn es um Comics geht, wenn es um Cartoons geht.
00:12:26: Du machst ja alle Genres im zeichnerischen Bereich so in dieser Kategorie.
00:12:32: Wie kann man denn das klassifizieren?
00:12:36: Du machst ja eben auch Witze, Comics für Zeitungen, NZZ, FAZ, Zeit.
00:12:43: Das Kürzeste ist natürlich der Cartoon, das heißt, das ist ein Bild.
00:12:47: Und viele, eh wie du sagst, vielen fällt es schwer, zu sagen also oft,
00:12:52: heißt es ja, naja gut, weil das eine runde Nase ist, oder eine lustige Figur,
00:12:56: ist es gleich Comic. Das ist es ja nicht.
00:12:59: Der Ein-Bild-Witz ist ja noch kein Comic, auch wenn er genauso ausschaut,
00:13:02: wie die Comiczeichnungen im Buch von einer längeren Geschichte.
00:13:06: Also da gibt es einerseits den Cartoon, das ist ein Bild, ein Gag, im besten Fall.
00:13:12: Die Illustration ist eigentlich auch so, nun muss sie nicht jetzt lustig per se sein.
00:13:17: Und dann gibt es den Comicstrip, damit habe ich eigentlich angefangen,
00:13:21: das ist dann so kann man sagen, ab zwei, drei Bildern.
00:13:24: Also wenn es dieselbe Figur ist, die sequenziell auftaucht,
00:13:27: ist es dann ein Comicstrip, den man ja kennt aus der Zeitung,
00:13:31: also auch immer Hega, Peanuts, solche Dinge, das ist ein Strip.
00:13:35: Und die habe ich eigentlich immer sehr interessiert, also mehr als die längere Form.
00:13:39: Und ich wollte eigentlich immer Strips zeichnen, wobei die eigentlich sehr schwer sind,
00:13:45: weil du brauchst immer ein Spannungsbogen und bei einem Strip erwartet sich jeder hinten ein Lacher.
00:13:51: Das heißt du brauchst eigentlich immer eine ganz kurze Geschichte, die hinten irgendwie lustig endet.
00:13:56: Und das ist relativ schwierig eigentlich, aber mich hat das angesprochen,
00:13:59: weil mich immer die amerikanischen Zeitungskomics fasziniert haben, die alten,
00:14:04: so 1910-20, dass die einfach flächendeckend in Zeitungen waren,
00:14:09: dass man jetzt nicht so an ein gezieltes Publikum sich wendet, sondern eigentlich alle erreichen könnte.
00:14:15: Und das hat mich eigentlich immer angesprochen.
00:14:17: Ich habe eigentlich angefangen wirklich für Zeitungen zu arbeiten aus dem Grund,
00:14:21: weil ich einfach schnell was liefern wollte und das Wissen,
00:14:25: dass es dann in zwei Tagen in der Zeitung ist, ist natürlich super.
00:14:29: Aber wenn man jetzt ein Buch schreibt oder mit dem Verlag spricht, das man jetzt ein Buch machen möchte,
00:14:33: kann man schon drei Jahre oft als Planungszeitraum sich vorstellen.
00:14:40: Also man setzt sich hin und überlegt es und weiß dann, wenn es schon weiter ist,
00:14:44: wenn es schon klar ist, sie machen so was, der Umfang sein und so.
00:14:47: Aber dann kann man schon sagen, wenn man setzt sich hin und weiß aber,
00:14:50: was ich da jetzt zeichne, ich bin zwei Jahre erst im Buchhandel.
00:14:54: Und da ist natürlich Zeitung super, du setzt dich hin und vielleicht für die Zeit zum Beispiel,
00:14:58: die man ganz engen, ganz eine enge Deadline, das war immer Donnerstag, glaube ich,
00:15:04: muss man liefern oder jetzt weiß ich gar nicht, wann die Zeit erscheint.
00:15:09: Oder Dienstag und am Donnerstag ist dann schon in der Trafik.
00:15:12: Und das ist ja schon, also ein guter Druck finde ich, auch dass man dann nicht mehr so herumfuzelt
00:15:18: an die Details und so, sondern man weiß dann einfach so, in drei Stunden muss ich fertig sein.
00:15:23: Und das ist es dann.
00:15:24: Was liegt aus pickt.
00:15:25: Ja, genau.
00:15:26: Aber gehen wir vielleicht noch ein bisschen weiter zurück.
00:15:29: Wie wurdest du zum Zeichner, warst du einer, der auf Schulbänke gekritzelt hat?
00:15:34: Ja, tatsächlich, also wirklich.
00:15:36: Ich habe damals so eine Cineasten-Phase gehabt und war im Gymnasium und mein Plan war,
00:15:41: und das ist durch häufiges Bankwechseln, glaube ich, mir sogar gelungen.
00:15:45: Ich wollte auf jede Schulbank einen Godard drauf zeichnen.
00:15:51: Den ich, wobei ich ja kein Godard-Fan bin, aber der ist auch so eine Witzfigur in gewisser Weise.
00:15:57: Und da habe ich dann schon, mich versucht zu verewigen auf den Schulbänken,
00:16:01: das habe ich tatsächlich gemacht oder in die Schulbücher gekritzelt,
00:16:04: genauso wie man sich es vorstellt und nicht aufgepasst im Unterricht.
00:16:07: Also wie man sich es vorstellt.
00:16:09: Schon an der Karriere gebastelt.
00:16:11: Nein, es war eher, glaube ich, so eine Weltabgewandtheit, oder so, so eine Flucht eher, würde ich sagen.
00:16:17: Und wann hast du entdeckt, dass das, was du zeichnest, Format hat oder irgendwie gut ausschaut,
00:16:23: weil gezeichnet und gekritzelt haben, glaube ich, viele, aber das muss ja jetzt nicht unbedingt was ...
00:16:29: Also ich war ja immer unzufrieden.
00:16:31: Ich habe ja keine Ausbildung und so, sondern ich wollte eigentlich immer,
00:16:34: dass es halbwegs professionell ausschaut.
00:16:37: Also ich wollte ja nicht Künstler werden oder so, sondern ich wollte ja irgendwas zeichnen,
00:16:42: das in kommerziellen Zusammenhang nicht abstinkt.
00:16:46: Und nach der Schule habe ich dann mit einem Freund zusammen,
00:16:49: also mir ist nicht eingefallen, was ich jetzt studieren soll, ich habe keine Lust gehabt.
00:16:53: Dann haben wir in den Sommerferien nach der Matura, haben wir uns eine Stripserie überlegt,
00:16:57: mit Frühstückseiern, die er getext hat, ich habe es gezeichnet.
00:17:01: Und damals hat es, glaube ich, fünf Zeitungen gegeben.
00:17:03: Der Standard war ganz neu, oder hat es den überhaupt schon gegeben?
00:17:07: Die Krone, Kurier, AZ, dann in den Bundesländern ein paar,
00:17:12: und da haben wir, glaube ich, an fünf Zeitungen geschickt,
00:17:14: und tatsächlich hat die AZ die Serie genommen.
00:17:17: Das war der Christoph Wagner, der Gourmetkritiker.
00:17:20: Damals stellvertretender Chefredakteur war,
00:17:22: und die Serie hat halt von Lebensmitteln gehandelt, also Frühstückseiern.
00:17:25: Deswegen hat er irgendwie ein Bezug gehabt und hat gesagt,
00:17:28: na ja, zeichnet doch jeden Tag für die AZ seinen Stripp.
00:17:31: Und das war natürlich die beste Schule.
00:17:33: Das war ja genau so, dass man einfach in der Woche,
00:17:36: ich weiß nicht, wie viele Ausgaben es gegeben hat, vielleicht fünf,
00:17:40: immer am Montag 5 neues Strips abgeliefert hat,
00:17:43: und die waren dann halt in der Woche über in der Zeitung.
00:17:47: Und so hat es eigentlich begonnen, ganz schlecht bezahlt,
00:17:50: aber mir war klar, na ja, es ist zwar nicht gut bezahlt,
00:17:53: aber es ist eigentlich besser, als einfach so zu jobben,
00:17:56: weil ich kann das machen, was ich eigentlich will,
00:17:59: dann habe ich parallel in einer Videothek gearbeitet
00:18:01: und habe dort dieses Strips gezeichnet.
00:18:03: Es war super, weil da ist oft einen ganzen Tag niemand reingekommen,
00:18:07: das heißt, ich habe aufgesperrt.
00:18:09: Ich habe mir meine Zeichen-Materialen genommen
00:18:12: und habe dort den Strip gezeichnet
00:18:14: und noch kassiert für die Anwesenheit in der Videothek.
00:18:16: Super.
00:18:17: Und so ist es dann gegangen und dann war die AZ tot.
00:18:20: Also da war ich auch einer von, das waren wirklich monatlich,
00:18:24: die Leute gefeuert worden, die haben mich dann auch am Gang aufgefangen,
00:18:27: beim Kopiergerät damals noch.
00:18:29: Da hat man ja das dann so kopiert und noch mit Tippex kleine Fehler ausgebessert,
00:18:33: ganz herzig rückblickend, wie man das gemacht hat.
00:18:36: Und da hat mich da Pelinka, glaube ich,
00:18:40: der stellvertretender Chef, der gesagt hat,
00:18:42: ah, Sie sind das, der die Witze immer macht.
00:18:44: Die sind aber nicht mehr lustig.
00:18:46: Und er hat aber auch recht gehabt,
00:18:49: weil so ein Strips-Serien außer man hat
00:18:51: wirklich bei den Peanuts oder so, ein Glücksgriff.
00:18:54: Oft läuft sich das ja auch tot und er hat das eh richtig gesehen.
00:18:58: Aber das war dann eh wurscht, weil die AZ ist dann eher eingangen.
00:19:02: Und dann bin ich dann mit meiner Mappe ganz oldschoolmäßig
00:19:06: unterm Arm durch die Redaktionen gegangen
00:19:08: mit meiner Illustrationen und bin furchtbar schlecht behandelt worden.
00:19:11: Das war ja noch die Zeit, wo Wien die unfreundlichste Stadt der Welt war.
00:19:15: Und ich kann das echt bestätigen,
00:19:17: weil da bist du wirklich wie Dreck behandelt worden in den Redaktionen.
00:19:20: Ab und zu ist mir dann doch eine Möglichkeit gegeben worden,
00:19:25: und es ist rückblickend eigentlich gar nicht so schlecht gelaufen.
00:19:28: Ich habe fürs Auerboard Magazin und so gezeichnet
00:19:31: und war aber eher in der Kinderecke.
00:19:33: Also Kinderrätsel zum Beispiel, wie ich sie zeichnet.
00:19:36: Ja, und so ist das dann immer weitergegangen.
00:19:39: Und mit auf und abs keine wirklichen Highlights.
00:19:42: Aber es ist so stetig immer so weitergegangen.
00:19:47: Ich finde es ja witzig, dass du sagst,
00:19:49: die Karriere hat mehr oder weniger in der Videothek begonnen.
00:19:52: Das wäre ja heute gar nicht mehr möglich,
00:19:54: weil es ja keine Videotheken mehr gibt.
00:19:56: Stimmt, jetzt wäre es weiß ich nicht Call Center oder so.
00:19:59: was Ja
00:20:01: Na ja, dann wollte ich Bücher machen, immer schon.
00:20:04: Und das war natürlich die wirklich größte Hürde.
00:20:07: Weil du kannst zu einer Redaktion gehen
00:20:09: und die sagen, na die Illustration ist ganz lustig.
00:20:11: Machen Sie für uns eine oder so. Aber
00:20:13: Beim Buch war natürlich die Schwierigkeit, niemand kennt dich.
00:20:16: Wer soll das Buch kaufen?
00:20:18: Und daran habe ich ja wirklich jahrelang gearbeitet
00:20:22: und auch an Verlage geschickt,
00:20:25: irrsinnig viele Absagen bekommen.
00:20:27: Und dann habe ich mit einem Freund zusammen einen kleinen Verlag gegründet.
00:20:30: Das ist ganz gut gegangen, also das Drucken und so.
00:20:33: Das war ja damals auch schon erschwinglich.
00:20:35: Jetzt natürlich umso mehr.
00:20:37: Gibt es jetzt gut digital Druck, aber hat es ja damals noch nicht gegeben.
00:20:40: Die Schwierigkeit war nur der Vertrieb
00:20:42: und wie man in die Buchhandlungen kommt.
00:20:44: Wieder mit dem Argument.
00:20:46: Na ja, man kennt sie nicht, wer soll das kaufen.
00:20:48: Und dann bin ich nach Frankreich einmal gefahren
00:20:51: und habe da dann einen Verlag gesehen
00:20:53: und der hat eigentlich genau das gemacht,
00:20:55: was ich mir vorgestellt habe.
00:20:57: Es war l'Association ein Pariser Verlag.
00:20:59: Und denen habe ich ein Heft geschickt,
00:21:01: von mir selbst auf Englisch übersetzt.
00:21:03: Sie haben mich sofort genommen.
00:21:05: Das ist fast 25 Jahre her
00:21:08: und die haben wirklich ein Großteil meiner Bücher veröffentlicht
00:21:11: auf Französisch.
00:21:13: Also teilweise auch nur Französisch.
00:21:15: Die sind dann auf Deutsch erst viel später erschienen.
00:21:17: Und mein Glück war, ich kann mich erinnern,
00:21:20: mein zweites Buch, glaube ich, ist zeitgleich erschienen
00:21:22: mit Persepolis von Marjane Satrapi.
00:21:24: Und wir haben Signierstunden zusammen gehabt.
00:21:26: Bei ihr hat man schon gemerkt, na gut,
00:21:28: da bilden sich schon Schlangen langsam.
00:21:30: Also die hat angefangen mit 1.500 Stück, so wie meine.
00:21:33: Und dann habe ich dann eine Mail gekriegt vom Verlag.
00:21:36: Wir feiern heute die Verkaufszahlen von der Marjane.
00:21:39: haben jetzt nämlich eine Million erreicht.
00:21:42: Wow.
00:21:43: Und damit war natürlich der Verlag gerettet
00:21:45: und für mich war es auch super und für viele anderen.
00:21:47: Weil dadurch hat man halt seine Bücher machen können.
00:21:50: Und das war wurscht, wenn es einmal schlecht geht
00:21:52: oder gar nicht.
00:21:54: Weil sie einfach diesen Seller gehabt haben.
00:21:56: Und das war dann schon so, dass der Verlag so,
00:21:59: doch dann so bekannt war,
00:22:01: dass dann meine Bücher auch gesehen worden sind.
00:22:04: Und dann sind sie schon auch über Frankreich.
00:22:06: Großteils, muss man echt sagen,
00:22:08: in viele Länder auch übersetzt worden.
00:22:11: Würdest du sagen, dass damals
00:22:13: eine Person dort an handelnder Stelle entscheidend war,
00:22:17: die dich verstanden hat und deinen Humor verstanden hat?
00:22:21: Was war da das Kriterium, glaubst du?
00:22:23: Absolut.
00:22:24: Also der Verlag ist ja gegründet worden in Frankreich.
00:22:26: Eigentlich als Gegenbewegung
00:22:28: zu diesen klassischen Vierfarb,
00:22:31: 48 Seiten Comic-Büchern oder Comic-Alben eigentlich.
00:22:35: Und das war ja der Verlag,
00:22:37: hat sich so gegründet,
00:22:40: dass sechs Zeichner den Verlag wirklich in eigener Regie
00:22:44: erfunden haben, um andere Arten
00:22:47: von gezeichneten Büchern zu publizieren.
00:22:49: Dafür hat es ja in Frankreich damals,
00:22:51: wir reden jetzt von, sagen wir mal, 95,
00:22:53: auch keinen Markt gegeben.
00:22:55: Also so Bücher wie Persepolis,
00:22:57: Schwarz-Weiß, persönlich, autobiografisch, länger,
00:23:02: das hat es ja damals nicht so gegeben.
00:23:04: Und erst durch Persepolis sind ja dann auch in Frankreich
00:23:07: viele Buchverlage eingestiegen.
00:23:09: Aber jetzt l'Association war ein klassischer Autorenverlag
00:23:12: und da hat es vor allem einen gegeben,
00:23:14: Jean-Cristophe Menu,
00:23:15: und der hat das einfach immer,
00:23:18: für den, das war, das ist ein Comic-Zeichner
00:23:22: und ein Comic-Freak, und er kennt alles.
00:23:24: Und sie haben auch irrsinnig viele Zusendungen
00:23:27: immer bekommen, weil sie natürlich in Frankreich
00:23:29: sehr bekannt waren.
00:23:30: Und er hat gemeint, na ja, so Sachen wie meine,
00:23:33: die hat er noch nicht gekannt.
00:23:35: Weil in Frankreich gibt es halt extrem viele
00:23:38: gute Zeichnerinnen und Zeichner,
00:23:40: unglaublich viele, von einer unglaublich guten Qualität,
00:23:44: und wenn man sich es aber genauer anschaut,
00:23:46: die beziehen sich alle immer auf ähnliche Referenzen.
00:23:49: Also es gibt immer so die Stars, Stars in Frankreich,
00:23:52: und dann gibt es dann immer eigene Schulen,
00:23:54: wo die Leute sie imitieren und imitieren und imitieren.
00:23:56: Und in Frankreich war das tatsächlich mein Bonus,
00:24:00: dass ich eigentlich überhaupt nicht aus diesem Hintergrund
00:24:03: komme, sondern was ganz anders mache
00:24:05: und was ganz lustig war.
00:24:07: Ich habe ja ein autobiografisches Buch gezeichnet,
00:24:09: über meine ganzen Misserfolge in Österreich,
00:24:11: wie nichts funktioniert hat.
00:24:13: Da ist die Frau Goldgruber vorgekommen,
00:24:15: das war meine Finanzbeamtin,
00:24:17: wo ich immer meine Steuer abgegeben habe,
00:24:19: und ich habe ja keine Ausbildung und nichts.
00:24:21: Und ich habe immer angegeben den Künstlersteuersatz,
00:24:23: und der ist auf einmal aufgefallen.
00:24:25: Wieso haben sie einen Künstlersteuersatz,
00:24:27: wo sind ihre Abschlüsse?
00:24:28: Und ich habe gesagt, na ja, ich habe überhaupt keine Abschlüsse.
00:24:30: Und sie, na ja, was machen sie denn?
00:24:32: Und ich habe gesagt, na ja, Comics, und sie sofort, na ja,
00:24:34: aber das ist ja keine Kunst, Mickey Maus und so.
00:24:36: Dann sind Sie Grafiker, also das ist ja keine Kunst.
00:24:38: Und ich habe gesagt, na ja, ich kann Ihnen das nächstes Mal
00:24:40: meine Bücher mitnehmen und Sie schauen das an.
00:24:42: Und Sie entscheiden dann, ob das Werbegrafik ist oder Kunst.
00:24:45: Und dann habe ich ihr ein paar von diesen Französischen mitgenommen.
00:24:48: Und die waren ja teilweise sehr experimentell,
00:24:50: weil die waren immer sehr offen bei der Association
00:24:53: über formale Spielereien und so.
00:24:55: Dann habe ich das gezeigt, sie hat die Bücher durchgeschaut,
00:24:57: und habe gesagt, na gut, das wird schon irgendwie Kunst sein.
00:25:00: Und seit damals bin ich steuerlich Künstler.
00:25:03: Und das habe ich alles gezeichnet.
00:25:05: Und das Buch wollte ich dann dem französischen Verlag gar nicht anbieten,
00:25:08: weil ich mir gedacht habe,
00:25:10: wen interessiert es, was ein Österreicher mit seiner Finanzbeamtin erlebt.
00:25:15: Und das haben sie publiziert.
00:25:17: Und das war mit Abstand mein erfolgreichstes Buch in Frankreich,
00:25:20: wo ich am meisten Zuschriften auch bekommen habe von Zeichnern, Französischen,
00:25:24: die dann gesagt haben, ja, uns geht es eigentlich genauso.
00:25:27: Also man glaubt immer, Frankreich, das sind alle Comiczeichner, das Künstler akzeptiert.
00:25:31: Aber ich glaube, es kämpft jeder weltweit mit denselben Dingen.
00:25:36: Das Comic halt irgendwo dazwischen ist.
00:25:38: Kunst ist es nicht, Literatur ist es nicht.
00:25:41: Das ist überall gleich.
00:25:43: Nur natürlich auf einem ganz anderen Niveau in Frankreich.
00:25:46: Also die anderen auf ein ganz anderer Niveau.
00:25:48: Worauf würdest du das zurückführen?
00:25:50: Weil du vorher gesagt hast, da gibt es so viele sehr gute.
00:25:53: Bei uns siehst du das nicht, oder hast du das damals nicht gesehen,
00:25:57: werden die da besser gefördert in den Schulen?
00:25:59: Naja, es gibt einmal sehr viele Schulen.
00:26:02: Und man darf nicht vergessen, in Frankreich ist Comic
00:26:05: eine Industrie.
00:26:07: Also das ist schon so was, wo man sagen kann, ich will einen Job, ich lerne mir das an.
00:26:11: Das Ziel ist, eine große Serie über einen großen Verlag zu machen.
00:26:15: Und ich kenne auch Leute in Frankreich, die auch aus diesem l'Association-Umfeld kommen,
00:26:20: die dann schon so großen Verlagen gegangen sind, Christophe Blain zum Beispiel.
00:26:25: Der hat gezeichnet nach einem Text von einem, das weiß ich gar nicht, Journalisten, glaub ich,
00:26:30: ein Buch über die Umweltproblematik, also ein gezeichnetes Buch,
00:26:35: und das war zum Beispiel vor zwei Jahren, glaube ich, das erfolgreichste Buch in Frankreich überhaupt.
00:26:42: Also der hat auch fast eine Million verkauft, das war auf den Bestsellerlisten.
00:26:47: Und da verdienst du natürlich richtig gut.
00:26:50: Und für die Schulen ist das natürlich schon so, dass okay, wir bilden hier nicht die Künstler aus,
00:26:55: die dann vielleicht in der Mini Verlag sich selbst verwirklichen,
00:26:58: sondern manche davon haben dann ihre Serien, die einen echt guten Verdienst zur Folge haben.
00:27:06: Das ist natürlich ganz anders.
00:27:08: In Frankreich kann man ja auch als Philosoph überleben.
00:27:11: Ja, kannst du bei uns auch, oder? Der Liessmann.
00:27:14: Und den du ja auch irgendwie eingebaut hast in deine Werke.
00:27:18: Aber ich würde noch gerne so in dieser Anfangsphase bleiben.
00:27:22: Das war dann schon der Türöffner für dich, für weitere Sachen, die französische Connection sozusagen?
00:27:29: Ja, das war absolut so, weil damit ist ja jetzt dann weggefallen, dieses "Naja, man kennt dich nicht".
00:27:35: Und es ist einfach so, wenn man bei bestimmten Verlagen publiziert wird,
00:27:40: da sehen andere Verlage "Ah, das geht" oder "Die trauen sich das",
00:27:44: und das schaut eigentlich ganz gut aus und so.
00:27:46: Und dann bin ich eben zur Edition Moderne gekommen, die ich auch schon gekannt habe vorher.
00:27:51: Für die war das, glaube ich, auch so ein Punkt, wo sie dann auch gesagt haben,
00:27:54: "Ja, wir machen jetzt auch eins".
00:27:56: Das waren die ersten Bücher dann auf Deutsch, in der Schweiz, und später ist dann Reprodukt dazu gekommen.
00:28:01: Und das ist ja alles international ein kleiner Zirkel.
00:28:04: Also man kann sich ja das wirklich klein vorstellen, die Comicszene auch international,
00:28:08: wenn man zu einem Festival fährt.
00:28:10: Man sieht immer die gleichen 30, 40 Leute, das sind vielleicht 10 Verlage, die so ähnliche Dinge machen.
00:28:15: Es wird natürlich immer mehr.
00:28:17: Es gibt jetzt in Frankreich auch eine extreme Überproduktion,
00:28:20: auch weil so alternative Comics finanziell zeitweise gut funktioniert haben.
00:28:26: Und da die Verlage gemerkt haben, na gut, wir verdienen da auch was dran.
00:28:29: Und da sind auch Buchverlagen eingestiegen.
00:28:31: Und dann hat es aber so eine Überproduktion zur Folge gehabt,
00:28:33: dass jetzt das einzelne Buch es sehr schwer hat, weil es einfach so viele gibt.
00:28:38: Du bist ja vor einigen Jahren nach Japan eingeladen worden
00:28:43: und hattest eine Ausstellung im Manga-Museum in Kyoto,
00:28:47: was ja sozusagen eine besondere Ehre ist für einen europäischen Zeichner.
00:28:52: Wie kam es denn dazu?
00:28:54: Also ich habe ja Ausstellungen gehabt im Karikaturmuseum Krems
00:28:57: und es gibt in Kyoto eine Abteilung auf der Uni für Gender Studies.
00:29:02: Und da gibt es auch Comic Studies.
00:29:05: Und lustigerweise, da war eben eine deutsche Leiterin,
00:29:10: die Jaqueline Berndt, und die wollte glaube ich immer schon deutschsprachige Comics nach Japan bringen.
00:29:16: Und entweder hat sie die Ausstellung gesehen,
00:29:19: oder Gottfried Gusenbauer vom Karikaturmuseum hat das vorgeschlagen.
00:29:22: So in dieser Richtung ist das gegangen.
00:29:25: Ja, dann war ich eingeladen und das war ganz lustig,
00:29:27: weil das Institut für Comic Studies in Kyoto, da sitzen ja nur Europäerinnen,
00:29:34: also keine Japaner, das ist sehr weiblich, sehr europäisch.
00:29:38: Und die forschen da über Comics.
00:29:41: Ich meine, es war sehr interessant zu beobachten,
00:29:44: weil zum Beispiel, wie gesagt, in Japan gibt es diese theoretische Beschäftigung gar nicht so.
00:29:50: Deswegen sind es auch gar keine Japaner, die das interessiert, glaube ich, oder wenige,
00:29:55: sondern wirklich aus aller Welt Leute, die da ihre Arbeiten schreiben, wissenschaftlich forschen.
00:29:59: Und im Zuge von diesem Institut für Comic Studies ist dann auch diese Ausstellung passiert.
00:30:05: Was ja schon sehr spannend ist, dass in Japan Gezeichnetes,
00:30:09: auf dem Literaturmarkt ja so einen Riesenstellenwert hat,
00:30:12: ein Drittel der Publikationen machen diese Mangas aus.
00:30:17: Was ist der Unterschied zwischen Comic-Literatur-Adaptionen und Mangas?
00:30:23: Wie würdest du das trennen?
00:30:24: Manga ist einfach japanisches Comic, also das ist einfach dasselbe, kann man sagen.
00:30:30: Was ja in Japan schon auffällig ist, ist erstens, dass das omnipräsent ist.
00:30:36: Und im Museum zum Beispiel, die legen ja auch nicht so viel Wert auf Originale.
00:30:41: Das Museum kann man sich vorstellen wie eine Riesenbibliothek,
00:30:44: wo quasi die Hauptwerke nach Jahr geordnet stehen.
00:30:47: Und es ist ja in Japan auch so, dass richtig für Bevölkerungsschichten und Altersstufen
00:30:52: hin Geschichten gezeichnet werden.
00:30:54: Also es gibt die Geschichten für die 40-jährigen Büroangestellten,
00:30:57: dann diese Mädchenmangas, Bubenmangas, alles strenge Regeln, das ist alles so auf,
00:31:03: ist auch schon noch ein Markt.
00:31:05: Und die Zeichnerinnen da, kenne ich auch ein paar, die sind ja geknechtet von den Verlagen,
00:31:11: dass das unverstellbar ist.
00:31:13: Also die müssen ja Output machen und die müssen, ich weiß es nicht,
00:31:16: jetzt in der Woche 30 Seiten runterzeichnen,
00:31:19: das erscheint zuerst in so diesen dicken Telefonbuchartigen Sammelbänden.
00:31:23: Das sind so Magazine, aber wirklich 300 Seiten dick, die sehr billig sind.
00:31:28: Da sind dann immer Geschichten drinnen,
00:31:30: hinten können die Leser ankreuzen, was sie gut finden und so.
00:31:33: Und da wird es so ausgesiebt und die, die sich als populär herausstellen,
00:31:36: kriegen dann ihre Buchserie und so.
00:31:38: Das ist auch eine krasse Auslese.
00:31:40: Ja und sehr, sehr hart, also wirklich hart.
00:31:43: Ich kann welche, die sagen na gut, sie haben Sonntag,
00:31:45: Nachmittag nehmen Sie sich frei, sonst sitzen Sie 12, 14 Stunden und zeichnen.
00:31:50: Wenn Sie Erfolg haben, dann haben Sie dann Leute, die den Hintergrund zeichnen
00:31:54: oder die die Actionlines zeichnen und so, das ist dann richtig eine Produktion für den Markt.
00:32:00: So ein bisschen wie bei bildnerischen Künstlern bei uns,
00:32:03: die dann die Assistenten haben, die die Leinwände mal vorbereiten.
00:32:06: Ja, so in der Richtung, wobei das Lustige ist ja bei den Manga-Zeichnern,
00:32:09: das hat man auch immer sehr gut gefallen,
00:32:11: dass die ja gar nicht jetzt diesen Anspruch haben, musial ausgestellt zu werden.
00:32:15: Kenne ich auch welche, die sagen, werden eingeladen von einem großen Museum.
00:32:19: Bei uns würde man sagen, da wollte ich immer hin,
00:32:21: jetzt weil ich als Künstler akzeptiert, die sagen, na wieso, ich habe eine Million Leser.
00:32:25: Was interessiert mir das?
00:32:26: Das Museum will sich mit mir schmücken
00:32:28: und das Museum will ein Publikum kriegen, mit mir, das brauche ich eigentlich nicht.
00:32:31: Spannender Zugang.
00:32:32: Ja, erfrischend.
00:32:34: Wäre Japan ein Land für dich?
00:32:36: Na zum Besuchen schon, aber zum Leben überhaupt nicht.
00:32:39: Also es war schon, habe ich schon gemerkt auch bei dem Besuch im Manga-Museum,
00:32:43: habe ich ja mit den Leuten da zu tun gehabt, die alles superfreundlich und sehr nett.
00:32:48: Also als Besucher ist man da wirklich bestens aufgehoben,
00:32:51: man kann nichts falsch machen, weil sie immer jede Schuld auf sich nehmen,
00:32:55: dass sie dir das nicht gut erklärt haben und so.
00:32:57: Aber man hat dann schon die Strukturen sofort gefühlt, diese ganz strenge Hierarchie,
00:33:02: die natürlich auch ein Grund für die Höflichkeit ist,
00:33:05: weil niemand jetzt um einen Platz kämpfen muss, sondern du hast den einfach.
00:33:09: Also das ist gesteckt einmal und nur man kann es schlecht überschreiten.
00:33:15: Ja, damit muss man halt auch zurechtkommen.
00:33:17: Hast du dich dort besser verstanden gefühlt als vielleicht bei uns?
00:33:21: Na ja, besser als in Österreich auf jeden Fall, weil da ist ja schon immer das Unverständnis schon am extremsten gewesen.
00:33:28: Ich war natürlich auch verzogen von Frankreich und so anderen Ländern und so war das schon ganz anders.
00:33:34: Und in Japan hat es mich eigentlich erstaunt, weil ich mir gedacht habe, weiter weg von Manga geht überhaupt nicht,
00:33:41: als meine Zeichnungen, weil die typische Manga-Figur große Augen, lieblich, viel Action, Bewegung.
00:33:47: Bei mir stehen sie immer star, haben ganz kleine Köpfe, keine Augen, keine Gesichter und so.
00:33:52: Da haben ich mir gedacht, na wie werden die jetzt damit umgehen?
00:33:55: Und ich habe da nur mit dem Kurator natürlich am meisten gesprochen
00:33:59: und der hat aber das sofort verstanden, was es ist.
00:34:02: Meine Theorie war dann, dass in Japan dieses Bilderlesen einfach so eingeübt ist,
00:34:07: dass man auch mit einem anderen Stil gut umgehen kann.
00:34:11: Also da bist du dann nicht so wie bei uns, wo es dann oft heißt, was ist da abgebildet?
00:34:15: Wie muss ich das lesen?
00:34:16: Vor allem beim Buchpublikum ist ja das immer noch ein großes Thema bei uns.
00:34:20: Ich kann es nicht lesen, wie liest man das?
00:34:23: Muss ich jetzt erst den Text lesen, dann die Bilder?
00:34:26: Das ist halt in Japan überhaupt nicht.
00:34:28: Die können einfach Bilder lesen an den Schlüsseln, das ist einfach so in den Genen wahrscheinlich.
00:34:33: Das ist halt quasi eine Kulturtechnik.
00:34:35: Ja genau, das sieht man ja schon, wenn man in Japan ins Museum geht,
00:34:39: dass diese Bilder rollen und das ist alles auf diese Sequenz ausgerichtet und so.
00:34:43: Eigentlich müsste es das ideale Land für dich sein
00:34:45: So, jetzt von dieser...
00:34:47: Ja, die japanische Kunst ist mir ja auch viel näher,
00:34:50: also jetzt zum Beispiel ins KHM zu gehen oder so.
00:34:52: Aber Leben könnte ich mir nicht vorstellen.
00:34:54: Also das wäre da zu restriktiv und zu angepasst?
00:34:59: Ja, ich kann mir das relativ...
00:35:01: Naja, und auch so die Anforderungen,
00:35:03: die Lücke im Lebenslauf ist tabu
00:35:06: und einfach so dieser Zwang dann wirklich abliefern zu müssen
00:35:10: und funktionieren zu müssen.
00:35:12: Zwang ist was, was dir sehr unangenehm ist,
00:35:15: kannst du dir das leisten, keine Zwänge zu haben?
00:35:18: Bist du jetzt in einer Kategorie unter Anführungszeichen,
00:35:21: wo man sagt, ich kann mir jetzt meine Tage einteilen.
00:35:24: Ich kann sozusagen auf die Inspiration warten
00:35:28: und mich so beschäftigen, dass dann auch ohne Zwang
00:35:32: dann was Gutes entsteht und rauskommt
00:35:34: und ich kann dann trotzdem leben?
00:35:36: Naja, Zwang ist ja für sich eigentlich nichts Schlechtes.
00:35:39: Also, Zwang ist ja immer da.
00:35:41: Also bei mir ist es ja einerseits der innere Zwang zum Bücher machen.
00:35:45: Das ist mein Zwang.
00:35:47: Müsste ich ja nicht.
00:35:48: Ich will mich ja dann immer beschränken und sagen,
00:35:50: oh Gott, letztes Jahr sind vier erschienen.
00:35:52: Im Buchhandel wird schon gejammert, oh Gott, schon wieder.
00:35:55: Jetzt ist das Buch liegt erst, jetzt kommen schon wieder drei neue.
00:35:58: Das kriege ich schon auch mit.
00:35:59: Aber dann ist das eigentlich nur mir geschuldet.
00:36:02: Das ist mein Zwang.
00:36:03: Müsste ich ja nicht machen.
00:36:04: Es ist ja auch nicht so, dass man mit den Büchern so viel verdient.
00:36:07: Also ich habe ja immer eigentlich gelebt
00:36:09: von den Zeitungsillustrationen und von den Cartoons.
00:36:12: Deswegen bin ich gut durchgekommen.
00:36:14: Im Vergleich zu Leuten, die wirklich nur ihre Graphic Novel zeichnen
00:36:17: und in langen Geschichten denken,
00:36:20: habe ich schon den Vorteil, dass ich auch diese Einzelbilder machen kann.
00:36:23: Und die haben mir eigentlich immer die Miete gezahlt.
00:36:26: Eine Zeit lang habe ich sogar gesagt,
00:36:28: das Bücher machen ist eigentlich mein Hobby
00:36:30: bei Edition Moderne oder Reprodukt oder so.
00:36:33: Das war eine super Verlage, schöne Bücher.
00:36:35: Man ist gut betreut,
00:36:37: aber finanziell eigentlich uninteressant.
00:36:40: Also man hat teilweise für eine Illustration
00:36:43: in einer guten Publikation habe ich so viel verdient,
00:36:46: wie für ein Buch zum Beispiel.
00:36:48: Machst du mehrere Sachen gleichzeitig?
00:36:51: Ja, immer.
00:36:52: Mindestens zehn, würde ich sagen.
00:36:54: Also es ist immer alles gleichzeitig, aber das ist auch gut.
00:36:56: Dadurch wird es mir nicht fad.
00:36:58: Ich könnte mich nie wegsperren und zwei Jahre an einem Buch zeichnen.
00:37:01: Also ich habe schon immer so meine Abläufe,
00:37:04: wo ich weiß, na gut, ein Jahr wird es dauern,
00:37:06: das Buch.
00:37:07: Und dazwischen kommen aber rein,
00:37:09: Cartoonaufträge, Broschüren illustrieren,
00:37:12: die Vorträge, was auch immer.
00:37:15: Und das mache ich dann wirklich immer abwechselnd.
00:37:17: Also wenn ich keine Lust habe zum Zeichnen,
00:37:19: dann mache ich einen Vortrag.
00:37:21: Wenn mir jetzt das Buch langweilig ist,
00:37:23: dann weiß ich, okay, für die NZZ
00:37:25: muss ich zehn Wissenschaftswitze zeichnen,
00:37:27: dann mache ich einmal die, dann ist dann zwei Monate Ruhe und so weiter.
00:37:30: Du schaffst es dir, Phasen zu schaffen,
00:37:32: wo du kreativ sein kannst
00:37:34: oder dich wieder inspirieren lassen kannst
00:37:37: oder mit was beschäftigen kannst,
00:37:39: was dann später irgendwann aufgegriffen wird.
00:37:41: Ja, wahrscheinlich relativ wenig.
00:37:43: Aber natürlich, wenn ich jetzt zum Beispiel den Kafka zeichne,
00:37:45: dann lese ich natürlich viel um Kafka rundherum.
00:37:48: Und vielleicht in der Recherche taucht dann auch wieder
00:37:50: irgendwas auf, wo ich mir denke,
00:37:52: das muss ich immer merken für was anderes.
00:37:54: Und ich habe ja auch zeitweise parallel gezeichnet,
00:37:57: wenn ich so einem Buch sitze,
00:37:59: habe ich dann oft für Reprodukt die autobiografischen Geschichten gezeichnet,
00:38:03: die während der Arbeit passiert sind.
00:38:06: Also so, wenn ich jetzt "am Mann ohne Eigenschaften" sitze,
00:38:09: nerv ich dann natürlich alle, na hast du das gelesen?
00:38:12: und wie findest du den Musil?
00:38:14: und ist der nicht problematisch in der Frauendarstellung und so weiter.
00:38:17: Und da kommen dann auch immer lustige Anekdoten raus,
00:38:20: wie zum Beispiel mit einem Journalisten, der gesagt hat,
00:38:23: ja, der "Mann ohne Eigenschaften" war in der Studienzeit super wichtig für mich.
00:38:26: Weil das Geniale ist, dass man,
00:38:28: dass ja der "Mann ohne Eigenschaften" aus zwei Bänden besteht,
00:38:31: die gleich dick sind.
00:38:33: Und da hat er immer super die Playstation draufgestellt.
00:38:36: Heutzutage will man wahrscheinlich den Computer für die Schalte draufstellen,
00:38:40: für das Zoomen oder für das Klippen.
00:38:42: Genau. Und solche Anekdoten, die nehme ich dann
00:38:45: und die kommen dann ins Reproduktbuch über meine Erlebnisse
00:38:49: im Literaturbetrieb oder als Zeichner oder auf Reisen oder so.
00:38:52: Also ich verwerte es dann auch wieder.
00:38:55: Also das, was mir dann nebenher passiert, wird auch wieder zu einem Buch.
00:38:58: Wirst du irgendein Moleskin oder ein Notizbuch, ein Skizzenbuch,
00:39:01: wo du das dann immer gleich reinschreibst,
00:39:03: wenn dir was aufführen?
00:39:04: Ja, natürlich. Da habe ich ganz viele.
00:39:06: Also immer so ein kleines, ein Pass vom Muji,
00:39:08: so ein japanisches Geschäft, das gibt es in Paris und in München.
00:39:11: Also dann kaufe ich immer diese kleinen Skizzenbücher
00:39:13: und die habe ich immer mit, dann kommt dann immer,
00:39:15: oder in der U-Bahn belasche ich dann die Leute.
00:39:17: Weil ich in Hamburg zum Beispiel auf Lesereise,
00:39:19: habe ich in einer vollen U-Bahn belauscht zwei Leute,
00:39:22: die sich anschreien.
00:39:24: Also es war kein Paar, glaube ich, Mann Frau, so 25.
00:39:27: Volle U-bahn, total laut und er schreit
00:39:29: weißt du, was ich am besten fand gestern
00:39:31: den Harnröhrenspreitzer. Okay, ja
00:39:34: den fand ich auch interessant. Hab ich mir natürlich gleich
00:39:37: notiert. Und das hab ich dann auch gezeichnet. Und dann stellt man sich
00:39:40: dann vor, was ist der Kontext?
00:39:43: Absolut. Du hast gesagt, du kaufst die Sachen bei Muji.
00:39:46: Die haben ja auch schöne Stifte.
00:39:49: Musst du einen bestimmten Stift haben zum Zeichnen?
00:39:52: Ich hab lang mit Feder gezeichnet also ganz klassisch.
00:39:55: So zum Eintunken. Und dann hat man dann schraffieren müssen.
00:39:58: Und dann braucht man dann auch die Muße dafür.
00:40:01: Das ist glaub ich eine Alterserscheinung, das mir das dann ein bisschen zu
00:40:04: langweilig geworden ist. Und ich bin dann auf so einen
00:40:07: Pinselstift umgestiegen. Weil da ist man dann relativ schnell
00:40:10: Und es ist in der Arbeit
00:40:13: auch unterhaltsamer, weil die Feder führt man ja sehr genau.
00:40:16: Das heißt da weiß man genau, was man kriegt. Man macht eine Vorzeichnung
00:40:19: und dann tuscht man das mit Feder aus.
00:40:22: Und jetzt verwende ich gerne den Pinselstift, weil den hat man nicht so
00:40:25: unter Kontrolle und das ist teilweise überraschender, was da
00:40:28: rauskommt. Das Problem im Comiczeichnen ist leider
00:40:31: tatsächlich, dass es großteils Planung, Planung, Planung ist.
00:40:34: Also man fängt ja nicht an links oben
00:40:37: und zeichnet, wie es einem in den Sinn kommt. Sondern du
00:40:40: du musst zuerst das Skript schreiben. Dann machst du das Bildlayout.
00:40:43: Dann machst du die grobe Vorzeichnung. Dann machst du
00:40:46: die bessere Vorzeichnung. Dann gehst du zum Lichttisch. Und dann
00:40:49: weißt du eigentlich, habe ich die Geschichte schon und jetzt muss ich aber alles austuschen.
00:40:53: Und das ist relativ langweilig leider.
00:40:56: Ich glaube, man hat überhaupt einen falschen Begriff.
00:40:58: Du blättest ein Buch durch und siehst ein paar sehr verdichtete Figuren,
00:41:02: ein paar Strichmännchen.
00:41:04: Das ist jetzt nicht despektierlich gemeint.
00:41:07: Man glaubt, das ist so schnell hingezeichnet.
00:41:10: Na ja, soll man ja auch glauben,
00:41:12: weil ich wollte ja immer was, was locker ausschaut
00:41:15: und was schnell aufnehmbar ist.
00:41:18: Und ich wollte ja nicht so Comiczeichnen, so wie es manche machen,
00:41:21: die total schöne, aquarellierte Einzelzeichnungen haben.
00:41:24: Ich wollte immer den Bilderfluss haben, wo man sich nicht lange aufhält damit.
00:41:28: Das ist ja dann eigentlich eh so wie der Manga.
00:41:31: Weil die Manga sind ja auch für den schnellen Konsum gedacht.
00:41:34: Die fetzen ja da drüber, wenn sie in Japan in der U-Bahn sitzen,
00:41:38: das schaust da mit ihr Manga lesen.
00:41:40: Es geht so durch.
00:41:42: Die schauen sich ja die einzelnen Zeichnungen auch nicht so an.
00:41:44: Das ist aber auch der Reiz für mich beim Comic, dass es um den Fluss geht,
00:41:47: um den Erzählfluss und nicht, dass man, also sobald eine Zehnung so gut ist,
00:41:51: wo man dann im Erzählfluss stehen bleibt und sagt,
00:41:54: ah, das ist aber toll schraffiert, dann ist schon wieder ein Problem.
00:41:57: Passt was nicht.
00:41:59: Aber man kann es natürlich auch, es gibt ja viele, die stehen einfach auf diese Optik
00:42:02: und sagen, ich schau mir dann die Bilder echt lang an.
00:42:04: Ich find' spannend, dass du dir, du hast ja ganz bestimmte Leute aus der Weltliteratur,
00:42:09: sozusagen aus dem Kanon ausgewählt,
00:42:11: die du dann quasi adaptiert hast, gezeichnet hast,
00:42:16: große Werke wie James Joyce, Ulysses
00:42:19: Thomas Bernhard, Kafka jetzt, mehrmals.
00:42:23: Gibt's was, was die alle verbindet für dich?
00:42:26: Mir ist jetzt sofort die Idee gekommen, dass du erzählt,
00:42:29: irgendwie deine Versuche, die Zeichnungen an den Mann zu bringen,
00:42:32: so ein bisschen Erfolglosigkeit am Anfang,
00:42:34: hat mich sehr an Kafka erinnert zu diese Vergeblichkeit,
00:42:37: das Bemühen, was den Humor betrifft, ist natürlich,
00:42:42: Bernhard sehr naheliegend, so eine gewisse Verschlossenheit,
00:42:45: aber trotzdem Verschmitztheit,
00:42:47: sind es Leute, die dir sehr ähnlich sind,
00:42:50: auch in gewisser Weise, wo es Anknüpfungspunkte gibt,
00:42:53: aus der eigenen Biografie?
00:42:55: Na ja, ähnlich nicht, aber es müssen natürlich schon Leute sein,
00:42:58: wo ich mir denke, die verstehe ich.
00:43:01: Also jemand, der mir ganz fremd ist, das wäre dann schwierig,
00:43:04: da wäre ich mir dann wahrscheinlich auch unsicher.
00:43:07: Die sind mir schon alle irgendwie, ich verstehe das alles,
00:43:11: also ich muss mich da jetzt nicht zwingen,
00:43:13: oder ich denke mir, mache ich da jetzt was richtig,
00:43:15: oder falsch, oder so.
00:43:17: Also ich verstehe die alle, das war ja auch ganz interessant,
00:43:20: also ich suche mir die auch alle aus.
00:43:22: Also, das sind ja, der Bernhard war eben mein Wunsch,
00:43:25: dann ist er so gut gegangen im Verlag,
00:43:28: und die waren ganz glücklich,
00:43:30: weil es wäre doch der erste Comic im Suhrkampverlag,
00:43:32: hätte ich auch daneben gehen können.
00:43:34: Habe ich mir ja auch gedacht, natürlich,
00:43:36: wie ich gesessen bin, dann habe ich mir gedacht,
00:43:38: da werde ich jetzt Schimpfe kriegen von den Germanistinnen.
00:43:41: Na Germanisten, muss man da eigentlich sagen,
00:43:43: da gibt es ja aber auch ganz Strenge,
00:43:45: und das ist dann aber eigentlich nicht so schlimm gewesen,
00:43:48: ich habe mich eigentlich sehr sanft,
00:43:50: mit ganz weh, ein paar Verrisse hat es schon gegeben,
00:43:52: aber das ist eigentlich sehr sanft aufgenommen worden,
00:43:56: und dann hat der Verlag gemeint,
00:43:58: ich kann jetzt eigentlich machen, mehr oder minder
00:44:00: kann man schon sagen, was ich will,
00:44:02: und dann habe ich mir als nächstes den H.C. Artmann ausgesucht,
00:44:05: der war natürlich viel schwieriger,
00:44:07: aber den verstehe ich auch,
00:44:09: oder der ist man irgendwie nahe und sympathisch,
00:44:11: also die müssen mir schon irgendwie auch sympathisch sein,
00:44:13: auch wenn sie teilweise schon auch mysteriöse Figuren sind,
00:44:16: aber ich muss eine gewisse Sympathie spüren,
00:44:19: und zum Beispiel der Marcel Proust,
00:44:21: das war ein Verlagswunsch, den habe ich gemacht,
00:44:23: da habe ich auch den Humor schon gefunden,
00:44:25: hat man aber schon sehr suchen müssen,
00:44:28: und man merkt ja dann immer erst so zehn Jahre später,
00:44:31: wenn man dann das eigene Buch nochmal anschaut,
00:44:34: wie ist es eigentlich wirklich gelungen,
00:44:37: und ich finde rückblickend, merkt man schon beim Proust,
00:44:40: dass mir der eigentlich am entferntesten ist,
00:44:42: also der ist nicht, der ist mir nicht so nah wie die anderen,
00:44:46: dann hat es den Wunsch gegeben von einem anderen Verlag,
00:44:48: Gottfried Benn, und dann beschäftige ich mich natürlich schon mit der Biografie,
00:44:52: und dann habe ich alles gelesen,
00:44:54: was es so über Gottfried Benn gibt,
00:44:56: und dann habe ich gedacht, das ist so ein Arschloch.
00:44:58: Geht nicht, wird wieder fallen gelassen.
00:45:01: Den kann ich echt nicht zeichnen.
00:45:03: Also irgendjemand, wo ich mir denke, puh, ja, das ist dann schwierig.
00:45:08: Du warst gerade bei der Humorkomponente,
00:45:11: und die ist ja bei dir ja eine sehr, sehr wichtige,
00:45:15: und das ist ja auch sehr schwierig, Humor zu vermitteln.
00:45:19: Ich habe nämlich eines deiner letzten Bücher her,
00:45:22: "Feel Bad Funnies" in der Edition Moderne,
00:45:25: und das fasziniert mich deshalb schon,
00:45:27: wenn man es nämlich umdreht,
00:45:29: wenn aus dem "Feel Bad Funnies" plötzlich "Feel Good Funnies",
00:45:32: dann blättere ich das hinten auf,
00:45:35: die erste Seite zeigt "Bitte wenden".
00:45:38: Ja, ist doch feel bad.
00:45:41: Es ist schon ein sehr eigener Humor,
00:45:43: und Humor ist ja sehr schwer, oft vermittelbar,
00:45:46: weil ja nicht jeder unter Humor dasselbe versteht.
00:45:50: Ich habe dann so versucht im Freundeskreis
00:45:53: ein paar Zeichnungen herzuzeigen,
00:45:56: und man hat dann plötzlich gesehen,
00:45:58: wie sich das teilt, in welche die sofort lachen
00:46:01: und sich voll irgendwie abfetzen,
00:46:04: und welche die völlig ratlos schauen,
00:46:06: und ich habe dann den Eindruck,
00:46:08: ich muss mein Freundeskreis irgendwie anders sortieren,
00:46:11: weil ich es nicht verstehe, wenn sich wer nicht drüber abhaut.
00:46:14: Und wie hat das prozentuell ausgeschaut?
00:46:16: Es war auf 50/50, würde ich sagen,
00:46:18: aber ich habe die, die nicht gelacht haben,
00:46:20: überhaupt nicht verstanden,
00:46:22: weil ich mich völlig zerfetzt habe.
00:46:24: Und die haben es nicht lustig gefunden, oder den Witz nicht?
00:46:26: Ich glaube, sie haben es nicht verstanden. Ja das finde ich ganz lustig,
00:46:28: weil ich gehe ja immer davon aus,
00:46:30: dass ich schon Witze mache, also
00:46:32: ich habe natürlich verschiedene Publikationen, wo ich
00:46:34: dann die Witze abdrucke, zum Beispiel, ich hab eben mein Skizzenbuch
00:46:37: da kommen meine ganzen Witze rein und wenn mir einer einfällt
00:46:39: dann schreib ich mir gleich zum Beispiel daneben Titanic.
00:46:41: Weil die wollen immer so skurrile
00:46:43: surreale Witze eher und
00:46:45: die schwierigeren, also die
00:46:47: eigentlich komischen Witze, wo die vielleicht eine wirklich
00:46:49: verzogene Pointe haben und so. Und wenn ich mir denke,
00:46:52: ah, das ist eigentlich fast Boulevard, soll ich den überhaupt zeichnen?
00:46:55: Da ist so leicht verständlich. Dann schreibe ich mir
00:46:57: NZZ daneben.
00:46:59: Und ich habe ja seit,
00:47:01: weiß gar nicht, die Serie hat ja jetzt aufgehört,
00:47:03: ich glaube ich habe 18 Jahre
00:47:05: 16 Jahre jede Woche in der NZZ einen
00:47:07: Witz gehabt. Und da hab ich ja immer die Boulevard-Witze,
00:47:09: also die leicht verständlichen gegeben.
00:47:11: Weil es war mir klar, ich kann jetzt nicht in der
00:47:13: NZZ irgendeinen Dada-Witz
00:47:15: abdrucken.
00:47:17: Und da habe ich schon immer wieder,
00:47:19: also erstens habe ich dann den Zuständigen,
00:47:21: erst nach 10 Jahren einmal gesprochen,
00:47:23: der hat mir gratuliert und gesagt,
00:47:25: das muss man auch einmal schaffen, seit 10 Jahren,
00:47:27: sind Sie da bei uns drinnen,
00:47:29: und sie kriegen immer noch Zuschriften
00:47:31: von Leuten, die sagen,
00:47:33: wir verstehen keinen einzigen Witz, der da abgedruckt ist.
00:47:35: Und für mich sind das eigentlich
00:47:37: fast zu
00:47:39: zu naheliegende Witze.
00:47:41: Und ich hab auch tatsächlich, manche haben
00:47:43: mir sogar gemailt, was ich schon interessant finde,
00:47:45: die sagen,
00:47:47: Sie haben den Witz
00:47:49: diese Woche überhaupt nicht kapiert und Sie haben überhaupt
00:47:51: noch nie ein Witz kapiert, und sie zeigen das auch immer herum,
00:47:53: und die verstehen alle die Witze nicht.
00:47:55: Und ich denke, komisch, für mich sind sie ganz klar,
00:47:57: also,
00:47:59: man kann es nie,
00:48:01: bei einem Witz kann man nie
00:48:03: abschätzen, ob er funktioniert,
00:48:05: und das wird natürlich auch
00:48:07: schwierig je älter, man wird, glaube ich, mit dem Humor
00:48:09: das merke ich ja bei Vorträgen
00:48:11: oder wenn ich in Schulen bin oder auf
00:48:13: Unis oder so. Das natürlich
00:48:15: jeder Witz schon auf irgendein
00:48:17: auf einer gemeinsamen
00:48:19: Erfahrung oder einem vorausgesetzten
00:48:21: Witz-Wissen
00:48:23: also Witz auf einem vorausgesetzten Wissen
00:48:25: basiert, und das
00:48:27: kann man natürlich je älter man wird
00:48:29: immer schlechter einschätzen
00:48:31: ob diese und diese Figur
00:48:33: überhaupt noch bekannt ist.
00:48:35: Ob man Nosferatu zum Beispiel
00:48:37: noch kennt,
00:48:39: und ich habe einen Witz mit
00:48:41: Nonferatu gemacht,
00:48:43: und da hängt es einfach nur davon ab,
00:48:45: naja, kennt man Nosferatu, weiß man überhaupt,
00:48:47: was das für eine Art von Figur ist,
00:48:49: und darauf muss man sich,
00:48:51: müsste man sich eigentlich verständigen,
00:48:53: wenn man jetzt einen Witz macht,
00:48:55: es ist ja auch nicht mehr so, dass man jetzt gezielt
00:48:57: für eine Publikation zeichnet, und weiß,
00:48:59: das ist eine Leserschaft, die kapiert das.
00:49:01: oder da kann man das voraussetzen,
00:49:03: ist natürlich auch im Internet,
00:49:05: in der Internetzeit, jetzt können die Witze irgendwo herumfliegen
00:49:07: und verändern natürlich auch ihre Bedeutung,
00:49:09: wenn das jetzt ganz woanders abgedruckt ist.
00:49:11: Als was es eigentlich gedacht worden
00:49:13: ist. Da ist man dann gleich bei Charlie Hebdo
00:49:15: und so, die auch aus diesem französischen
00:49:17: aus diesem Umfeld kommen,
00:49:19: wo die Franzosen ja immer eine ganz,
00:49:21: ganz harte Humortradition
00:49:23: gehabt haben, also wirklich Tabu brechen,
00:49:25: wirklich hart,
00:49:27: aber das hat sich natürlich
00:49:29: an ein Publikum gerichtet, dass das verkraftet
00:49:31: hat, und dass das erwartet hat
00:49:33: und das verarbeiten hat können,
00:49:35: und wenn man jetzt aber
00:49:37: aus diesen Publikationen Sachen rausnimmt,
00:49:39: und zum Beispiel
00:49:41: in die Kronenzeitung einen Abdruck macht,
00:49:43: sagt dann natürlich jeder, pfft, das ist aber...
00:49:45: Geht nicht.
00:49:47: Das ist ja total arg und rassistisch,
00:49:49: aber eigentlich ist es ja ein Humor, der sich wieder über
00:49:51: die Stereotypen lustig macht, aber das hat dann
00:49:53: schon so eine zweite Ebene, und wenn man die erste
00:49:55: nicht kennt, verändert sich das.
00:49:57: Ich glaube, das könnte vielleicht genau der
00:49:59: Punkt sein, dass du eine gewisse Tiefe hast
00:50:01: und so ein gewisses teilweise
00:50:03: um die Ecke denken,
00:50:05: und verdichten auch,
00:50:07: dass vorausgesetzt werden muss, weil da einfach
00:50:09: mehr drin liegt, als das Gezeichnete.
00:50:11: Naja, es ist überhaupt so,
00:50:13: wenn man wenig macht,
00:50:15: ist auch schon so meine Erfahrung,
00:50:17: wenn man wenig macht,
00:50:19: wird entweder ganz viel
00:50:21: drin gesehen,
00:50:23: oder gar nichts. Und das ist aber
00:50:25: nur die Empfindung von den Leuten,
00:50:27: die das anschauen. Manche finden es
00:50:29: total toll, dass es wenig ist,
00:50:31: weil die sehen quasi die Dinge,
00:50:33: die ausgespart sind, und andere sehen
00:50:35: halt nur das, was am Blatt ist, und sehen
00:50:37: gar nichts drinnen. Es ist schon
00:50:39: faszinierend, wenn mir kommt es
00:50:41: ja, ich mache ja nicht absichtlich irgendwas
00:50:43: diffuses, unklares, ich will
00:50:45: ja eigentlich immer sehr, sehr klar
00:50:47: sein. Aber natürlich kommt es,
00:50:49: ich würde sogar sagen,
00:50:51: wahrscheinlich bei 90 Prozent
00:50:53: kommt es überhaupt nicht
00:50:55: als klar rüber.
00:50:57: aber wenn man es dann versteht,
00:50:59: ist das ja was Besonderes.
00:51:01: Naja, ich hätte natürlich
00:51:03: die anderen 90 Prozent auch.
00:51:05: Ja,
00:51:07: das kann ja...
00:51:09: Aber wird mir nicht gelingen. Es kann ja irgendwann noch.
00:51:11: Naja, man könnte ja auch stolz sein, indem man sagt,
00:51:13: aber die die es kapieren, freuen
00:51:15: mich umso mehr. Also wie wichtig
00:51:17: ist es dir dann, sozusagen verstanden zu werden?
00:51:19: Ich bin schon sehr froh über mein Publikum
00:51:21: muss ich ehrlich sagen.
00:51:23: Also ich würde jetzt zum Beispiel
00:51:25: nicht aushalten, die falschen
00:51:27: Lacher, oder die Lacher von der falschen Seite
00:51:29: die will ich eigentlich nicht.
00:51:31: Eben, so könnte man es ja auch sehen.
00:51:33: Ja. Also, das ist ja eher so
00:51:35: in die Tiefe zu gehen oder oberflächlich
00:51:37: zu bleiben, und du hast halt
00:51:39: die Tiefe gewählt.
00:51:41: Naja, die Tiefe würde ich es jetzt nicht nennen.
00:51:43: Ich finde, die Sachen ja auch nicht,
00:51:45: dann heißt es dann immer philosophisch zu finden.
00:51:47: Muss ich mich immer eher wundern.
00:51:49: Also ich will schon,
00:51:51: dass es unterhaltend
00:51:53: unterhaltend ist eigentlich, wenn dann irgendjemand
00:51:55: was Philosophisches drinnen findet,
00:51:57: nehme ich es gerne an,
00:51:59: aber ich mache ja keine Thesenbücher,
00:52:01: dass ich sage, ich habe jetzt eine
00:52:03: Philosophie, und die möchte ich
00:52:05: jetzt illustrieren. Manchmal
00:52:07: schwingt halt was mit, aber das ist
00:52:09: teilweise unterbewusst
00:52:11: und teilweise natürlich schon
00:52:13: bewusst, aber es ist jetzt nicht so, ich habe ein Thema,
00:52:15: Thema, und das möchte ich
00:52:17: jetzt umsetzen. Sondern das schwingt mit, im besten Fall.
00:52:19: schwingt mit, im besten Fall. Eben, hängt ja
00:52:21: mit den vielen Beschäftigungen zusammen,
00:52:23: und den vielen Dingen, die du dann liest,
00:52:25: wo dann wieder einiges dann,
00:52:27: sozusagen bleibt und prozessiert wird
00:52:29: im Hirn, wahrscheinlich.
00:52:31: Naja, und es ist natürlich schon
00:52:33: auch bei der Literatur immer die Entscheidung.
00:52:35: Wie verständlich macht man es dann doch,
00:52:37: das geht mir natürlich schon
00:52:39: durch den Kopf,
00:52:41: vor allem bei so Literaturadaptionen,
00:52:43: wo man dann schon so Passagen hat,
00:52:45: wo man quasi das Publikum so
00:52:47: "on the nose" erklären
00:52:49: könnte, warum man das
00:52:51: jetzt so macht, oder dass das jetzt ja eigentlich
00:52:53: eine Anspielung auf irgendwas ist.
00:52:55: Das ist schon immer eine schwierige
00:52:57: Gradwanderung,
00:52:59: dass es eben nicht zu erklären sein soll,
00:53:01: aber auch nicht
00:53:03: unverständlich. Das war bei "Mann
00:53:05: ohne Eigenschaften" zum Beispiel, so
00:53:07: da bin ich eigentlich richtig wahrscheinlich
00:53:09: beflügelt von dem Erfolg von die "Alten meister",
00:53:11: wo ich sagen würde, die "Alten Meister" kann man lesen,
00:53:13: ohne Vorwissen,
00:53:15: und man hat einen Einblick
00:53:17: oder Eindruck worum es bei dem Bernhard Buch geht,
00:53:19: man könnte das als
00:53:21: "Reader's digest" Fassung sogar lesen,
00:53:23: in gewisser Weise.
00:53:25: Und dann wollte ich das aber nicht wiederholen.
00:53:27: Das wäre eine neue Verkaufsmasche.
00:53:29: Ja, ob die Leute "Reader's digest" überhaupt noch kennen.
00:53:31: Also das sind wir wieder beim Thema,
00:53:33: was noch bekannt ist. Aber das hat es ja immer schon gegeben,
00:53:35: also diese Literaturadaptionen,
00:53:37: "classics illustrated" in Amerika,
00:53:39: das war ja eigentlich.
00:53:41: Das waren ja keine Kunstprodukte, sondern das waren
00:53:43: für Leute, die "Die Schatzinsel" in 60
00:53:45: illustrierten Seiten lesen wollen.
00:53:47: Und mein "Mann ohne Eigenschaften"
00:53:49: war dann zum Beispiel, es war eher,
00:53:51: das könnte man eigentlich sagen,
00:53:53: fast der theoretisches Werk
00:53:55: über den Mann ohne Eigenschaften,
00:53:57: ohne die Theorie zu erläutern.
00:53:59: Und das war natürlich
00:54:01: für die Leser weitaus schwieriger.
00:54:03: Aber da habe ich mir gedacht, das erlaube ich mir,
00:54:05: jetzt, weil es mich einfach gereizt hat,
00:54:07: zu dem Zeitpunkt.
00:54:09: Also das war schon ein Luxus,
00:54:11: wenn man so denken kann,
00:54:13: dass man sagt, ja, ich schreibt das ja,
00:54:15: da habe ich zeichnet, das ist jetzt nicht
00:54:17: für das große Publikum.
00:54:19: Du bist ja seit Beginn des Jahres
00:54:21: jetzt künstlerischer Leiter der Schule für
00:54:23: Dichtung. Vielleicht sollte man ein bisschen erklären,
00:54:25: was die Schule für Dichtung macht.
00:54:27: Na ja, die Schule für Dichtung kennen ja
00:54:29: wahrscheinlich die meisten aus den 90
00:54:31: Jahren, wo der
00:54:33: Nick Cave und Falco
00:54:35: und Allen Ginsberg da unterrichtet haben,
00:54:37: in so Kurzklassen,
00:54:39: gegründet war es von Christian Ide Hintze.
00:54:41: Und das Konzept war ja,
00:54:43: dass es ein ganz kleines
00:54:45: Versuchslabor, kann
00:54:47: man sagen, ist,
00:54:49: wo Leute, die künstlerisch
00:54:51: tätig sind, kleinst
00:54:53: Gruppen unterrichten, also nur 12 Stunden,
00:54:55: ein paar Tage.
00:54:57: Und am Schluss gibt es eine Klassenpräsentation
00:54:59: und das ganze Jahr hat ja nichts
00:55:01: von einer Universität oder so,
00:55:03: sondern ist einfach wirklich erstens,
00:55:05: dass man den Leuten begegnen kann,
00:55:07: die was schaffen
00:55:09: und dass man einen Eindruck kriegt,
00:55:11: wie machen die das überhaupt oder so.
00:55:13: Und das finde ich schon sehr sympathisch.
00:55:15: Also eigentlich
00:55:17: könnte man fast sagen die
00:55:19: perfekte Schule, weil sie beginnt um fünf,
00:55:21: damit Berufstätige auch teilnehmen können.
00:55:23: Und nach einer Woche
00:55:25: siehst du du den Lehrer oder die Lehrerin nicht mehr.
00:55:27: Also,
00:55:29: ideal. Und das ist kein Massen,
00:55:33: kein Masterclass-Prinzip,
00:55:35: das man sagt, so ein Semester hat man jemanden
00:55:37: und am Schluss kommt man raus und man macht
00:55:39: das genau dasselbe , wie die das unterrichten.
00:55:41: Sondern man soll einen Eindruck kriegen
00:55:43: oder eine Möglichkeit, oder was gibt's,
00:55:45: oder wie funktioniert die da,
00:55:47: was könnte man überhaupt machen.
00:55:49: Und dadurch, dass es so
00:55:51: wechselnde Kurse sind, ist natürlich
00:55:53: die Bandbreite auch möglich.
00:55:55: Ich fand die Aussendung so witzig,
00:55:57: die ausgeschickt wurde
00:55:59: mit deiner Bestellung. Und zwar heißt es da
00:56:01: "Wieder keine ordentliche Dichterin,
00:56:03: wieder kein gelernter
00:56:05: Literaturvermittler, auf den Radiomacher
00:56:07: Fritz Ostermeier, der die Schule
00:56:09: nach dem Tod des Gründers Christian
00:56:11: Ide Hinze von 2012
00:56:13: bis jetzt geleitet hat, kommt nun
00:56:15: ein weiterer Quereinsteiger
00:56:17: in die Kunst des Dichtens. Mahlers
00:56:19: Wahl mag schräg erscheinen,
00:56:21: doch zur Schrägheit gesellt sich ein
00:56:23: loderndes Herz für
00:56:25: Dichtkunst und Experiment.
00:56:27: Siehst du dich da richtig getroffen?
00:56:29: Naja, er hats schön formuliert, das kann er ja. Der gute Fritz. Ja, naja
00:56:34: Loderndes Herz, weiß ich nicht.
00:56:36: Ich würde sagen, ich bin
00:56:38: interessiert und vielseitig offen, würde ich sagen.
00:56:42: Wobei ich natürlich schon auch meine Fixierungen
00:56:44: habe und so wie der Fritz
00:56:46: bei der Musik sein Standbein
00:56:48: gehabt hat, ist es bei mir natürlich,
00:56:50: die Bilder
00:56:52: und die Zeichnungen und diese Schwerpunkte
00:56:54: wird es natürlich geben. Wie kam es dazu, dass der Fritz
00:56:56: Ostermeier dich gefragt hat?
00:56:58: Na, müsste man ihn fragen.
00:57:00: Es gibt ja dann noch mehrere,
00:57:02: die da mitzusprechen haben,
00:57:04: wie es genau abgelaufen ist,
00:57:06: weiß ich nicht.
00:57:08: Mich hat es natürlich zuerst schon überrascht,
00:57:10: weil ich ja, also ich würde mich jetzt nicht
00:57:12: im Literaturbetrieb sehen
00:57:14: und ich glaube, das war aber auch wieder ein Bonuspunkt.
00:57:16: Es ist ja schon ein bisschen
00:57:18: kurios, dass die Schule für Dichtung
00:57:20: einen Comiczeichner
00:57:22: auswählt,
00:57:24: wobei so ein kleine Schnittmenge
00:57:26: gibt es ja schon,
00:57:28: weil du ja auch Gedichte schon geschrieben hast.
00:57:30: Ja, genau, die Gedichte,
00:57:32: es gibt zwar vier Bände, aber die waren ja eigentlich,
00:57:34: wenn man es jetzt ganz streng nimmt,
00:57:36: montiert. Deswegen habe ich ja
00:57:38: auch nie eine Literaturförderung bekommen,
00:57:40: als ich es noch wollte.
00:57:42: Ich glaube, ich würde jetzt auch keinen bekommen,
00:57:44: weil es trotzdem nicht
00:57:46: und das war eigentlich schon immer so,
00:57:48: es ist ja nicht als Literatur akzeptiert,
00:57:50: was ich mache. Also auch die Tatsache,
00:57:52: dass man jetzt sagt, wenn man
00:57:54: einen Comicband veröffentlicht,
00:57:56: dass man ja zuerst einen
00:57:58: Text schreiben muss. Also man haut ja zuerst in
00:58:00: oder bei mir ist es zumindest so,
00:58:02: ich habe ja den Comicband zuerst
00:58:04: in einer Textversion, das muss ich
00:58:06: erschreiben, ich muss ja die Dialoge
00:58:08: und alles muss ich erschreiben.
00:58:10: Und dann wird es gezeichnet,
00:58:12: und dadurch, dass es gezeichnet wird,
00:58:14: verliert es
00:58:16: jeden literarischen
00:58:18: Anspruch oder so.
00:58:20: Das wird dann nicht gesehen.
00:58:22: Aber natürlich muss man auch mit Text arbeiten,
00:58:24: wenn man jetzt eine Comicgeschichte schreibt.
00:58:26: Aber der Fritz ist ja,
00:58:28: er kommt ja auch
00:58:30: von ganz woanders.
00:58:32: Also ja, er versteht sich auch
00:58:34: als Multidilettant.
00:58:36: Radio-Macher.
00:58:38: Musiker, Fan,
00:58:40: natürlich.
00:58:42: Wie wird eine Schule der Dichtung
00:58:44: aussehen, die von
00:58:46: Nicolas Mahler geprägt ist?
00:58:48: Na ja, das wird man
00:58:50: sehen, wie gesagt, das wird
00:58:52: natürlich Schwerpunkte geben aufs Bild.
00:58:54: Ich habe ja,
00:58:56: ich stelle ja immer ganz gern Regeln auf.
00:58:58: Ich weiß noch nicht, ob ich das durchbringe.
00:59:00: Ich würde zum Beispiel bei der Vorstellung
00:59:02: der Unterrichtenden und
00:59:04: von den involvierten Personen, würde ich
00:59:06: gern verzichten auf die Nennung
00:59:08: von Stipendien und Preisen. Das nervt
00:59:10: mich immer unglaublich, das immer bei
00:59:12: der Vorstellung, wenn man jemanden
00:59:14: vorstellt, wird immer aufgezählt,
00:59:16: wie viele Stipendien und Preise die Person
00:59:18: gewonnen hat. Ich habe es heute nicht gemacht
00:59:20: bei dir. Ja, danke.
00:59:22: Ja, und solche Dinge, die mich nerven,
00:59:24: vielleicht kann ich das ein bisschen
00:59:26: so rein fließen lassen.
00:59:28: Ja, aber jetzt muss ich da einhaken,
00:59:30: du hast ja doch einige Preise schon gekriegt.
00:59:32: Wie wichtig sind dir Preise?
00:59:34: Würdest du sagen, das ist gar nicht wichtig für dich?
00:59:36: Na ja, natürlich für einen selber ist es wichtig,
00:59:38: vor allem wenn sie dotiert sind.
00:59:40: Und sie sind natürlich wichtig, wenn man
00:59:42: jetzt der Ansuchen schreibt, um eine Förderung
00:59:44: zu bekommen. Also sie sind natürlich
00:59:46: Geld- und Aufmerksamkeitsmaschinen.
00:59:48: Also wenn es ein guter Preis ist,
00:59:50: der Auswirkungen hat,
00:59:52: da hat ja auch nicht jeder.
00:59:54: Manche haben finanzielle Auswirkungen
00:59:56: und manche haben aber richtig so,
00:59:58: dass man dann einfach wahrgenommen wird.
01:00:00: Das ist schon gut. Aber ich finde
01:00:02: es immer schwierig, wenn man dann so
01:00:04: wie ein Pudel auf der Hundemesse,
01:00:06: wenn dann vorgelesen wird,
01:00:08: wie viele Medaillien auf den
01:00:10: Hundemessen man schon gewonnen hat.
01:00:12: Das finde ich, na ja, es ist so wie
01:00:14: mit Filmen, einerseits freut man sich
01:00:16: natürlich, aber man darf es natürlich auch nicht
01:00:18: so ernst nehmen.
01:00:20: Ich war ja auch schon in einigen Jurys
01:00:22: und ein Preis hatte ich ja natürlich nicht
01:00:24: aussagekräftig für die Qualität
01:00:26: oder irgend so und auch dieses kompetitive
01:00:28: geht mir furchtbar auf die Nerven.
01:00:30: Aber es ist natürlich versteh ich's,
01:00:32: wenn jetzt Leute sagen, ja, es gibt
01:00:34: so und so viele Buchneuerscheinungen
01:00:36: und es gibt Buchpreise an, da gibt's
01:00:38: 10 auf der Shortlist oder so und die liegen dann auf einem Tisch
01:00:40: und ich informiere mich nur oberflächlich
01:00:42: Da kann ich kann vielleicht nicht so viel falsch
01:00:44: machen, wenn ich mir das jetzt anschaue,
01:00:46: das versteh ich schon. Also das ist
01:00:48: ein Marketing-Instrument
01:00:50: auf der einen Seite und auf der anderen
01:00:52: Seite ist natürlich ein Geld.
01:00:54: Dass man kriegt und das ist natürlich
01:00:56: gut, aber so dieser Fetisch,
01:00:58: dieser Wettbewerbsfetisch,
01:01:00: das geht mir furchtbar auf die Nerven.
01:01:02: Es ist ja auch interessant, dass
01:01:04: auf deiner Webseite, die
01:01:06: witzigerweise, finde ich schon witzig,
01:01:08: Mahler Museum heißt,
01:01:10: hast du dir ein eigenes Museum geschaffen,
01:01:12: elektronisch, deine
01:01:14: Biografie extrem verkürzt ist,
01:01:16: was man natürlich wahrscheinlich in deinem Charakter
01:01:18: auch liegt, Dinge auf kurz auf den Punkt
01:01:20: zu kriegen, da steht da nur Mahler
01:01:22: Geboren 1969
01:01:24: in Wien, lebt immer noch dort
01:01:26: Autodidakt, Punkt, diverse
01:01:28: Ausstellungen
01:01:30: und das ist es
01:01:32: mehr oder weniger dann schon.
01:01:34: Ah ja, "kein Zweitwohnsitz" steht nicht mehr oben.
01:01:36: Ich hab da eine Zeit lang kein Zweitwohnsitz
01:01:38: oben stehen gehabt, weil immer
01:01:40: bei den Klappentexten steht immer
01:01:42: immer mindestens ein Wohnsitz.
01:01:44: Also es gibt welche, die haben sogar 3,
01:01:46: wo ich mir immer
01:01:48: denke, Wahnsinn, wie geht sich das finanziell aus,
01:01:50: aber vielleicht ist es auch zu zeigen,
01:01:52: dass man davon leben kann, ich weiß nicht.
01:01:54: Lebt in Wien, Berlin, New York, so?
01:01:56: Ja, genau, also ja, in Wien, London, New York,
01:01:58: hab ich auch schon gesehen.
01:02:00: Deswegen habe ich dann nie mehr geschrieben, kein Zweitwohnsitz.
01:02:02: Und dann aber, ich hatte aber
01:02:04: irgendwer gesagt, das ist aber auch blasiert,
01:02:06: glaube ich, und dann dürfte ich es natürlich
01:02:08: einmal irgendwann in der Nacht runtergenommen haben,
01:02:10: dann sagst du, das ist nicht mehr oben.
01:02:12: Nein, das habe ich nicht gesehen, und vielleicht ist es
01:02:14: auch so, dass im Gegensatz zu anderen,
01:02:16: wo die Lebensläufe immer länger werden,
01:02:18: deiner Kürzer wird im Laufe der Jahre.
01:02:20: Du nimmst dann eher Sachen weg, dass du Sachen dazu schreibst.
01:02:22: Ja, stimmt, ja. Naja, hat natürlich auch damit zu tun,
01:02:24: dass ich eigentlich keinen Lebenslauf habe, weil
01:02:26: wenn ich jetzt,
01:02:28: weiß ich nicht,
01:02:30: Landschaftsgärtner in Kyoto gewesen wäre
01:02:32: und mit 44 angefangen hätte,
01:02:34: Architektur zu studieren
01:02:36: und dann jetzt zum Comic-Zeichen
01:02:38: gewechselt wäre,
01:02:40: dann würde ich es vielleicht auch aufschreiben,
01:02:42: weil das wäre ganz interessant zu wissen.
01:02:44: Aber was soll ich schreiben? Maturiert
01:02:46: und zeichnet seitdem
01:02:48: in Wien.
01:02:50: Das ist ein bisschen fad.
01:02:52: Was macht Nicolas Mahler,
01:02:54: wenn ihm nichts mehr einfällt?
01:02:56: Auf den Moment warte ich noch.
01:02:58: Also ich habe jetzt immer,
01:03:00: naja, bei mir ist es ja immer eine Mischung,
01:03:02: weil ich muss ja auch immer auf
01:03:04: Knopfdruck arbeiten, auf Zuruf.
01:03:06: Da kommt ja immer wieder, ich bin jetzt nicht
01:03:08: so im Elfenbeinturm und
01:03:10: tüftele an meinen Büchern,
01:03:12: sondern ich muss ja schon immer die,
01:03:14: meine Dauerhaften
01:03:16: fürs Philosophie-Magazin, immer zu
01:03:18: philosophischen Themen, ein Cartoon
01:03:20: und da ein Witz und da für Ärzte-Magazine,
01:03:22: was und so.
01:03:24: Deswegen steht es ja nie still.
01:03:26: Das ist natürlich teilweise anstrengend,
01:03:28: wenn man da aus dem Buch rausgerissen wird,
01:03:30: aber andererseits bin ich auch froh,
01:03:32: dass ich dann auch Interaktion
01:03:34: komme und so. Aber ich habe natürlich immer
01:03:36: meine Liste von Büchern, die noch kommen
01:03:38: und sie waren teilweise
01:03:40: auf seinem gelben Post-It liegen
01:03:42: die am Schreibtisch und teilweise waren
01:03:44: schon 10 zu kamen noch.
01:03:46: Und die ist im Momente eigentlich
01:03:48: erstaunlich kurz, aber das war immer,
01:03:50: dass ich mir gedacht habe, ob so danach
01:03:52: habe ich jetzt, also immer so
01:03:54: in Phasen entweder ganz viele
01:03:56: oder dann schon abgearbeitet
01:03:58: oder verworfen, gibt es natürlich auch,
01:04:00: gibt es natürlich Projekte, die dann
01:04:02: entweder ist der Verlag nicht
01:04:04: begeistert oder ich denke,
01:04:06: man könnte schwierig werden
01:04:08: und habe keine Lust drauf.
01:04:10: Oder ein vergleichbares Buch war ein totaler
01:04:12: Flop, wo ich mich dann auch schwer
01:04:14: motivieren kann, dann so was ähnliches
01:04:16: zu machen. Das gibt es schon,
01:04:18: aber es ist bis jetzt immer wieder
01:04:20: was nachgekommen
01:04:22: und jetzt bin ich aber schon so, dass ich schon merke,
01:04:24: es ist schon sehr viel erschienen.
01:04:26: Das war auch ein Argument für die
01:04:28: Schule für Dichtung, wo ich mir gedacht habe, eigentlich
01:04:30: wäre es jetzt auch an der Zeit ein bisschen,
01:04:32: also nicht mehr klar so viele Bücher zu machen
01:04:34: und auch ein bisschen
01:04:36: so ins Konzeptionelle
01:04:38: zu gehen. Was könnte man für Klassen
01:04:40: machen, wen könnte man einbinden
01:04:42: in diese Richtung?
01:04:44: Ja, dann freuen wir
01:04:46: uns auf die Mayröcker, weil
01:04:48: das habe ich jetzt mitgenommen, dass das
01:04:50: als nächstes wahrscheinlich kommen wird
01:04:52: und toi toi toi für deine
01:04:54: neue Aufgabe in der Schule für Dichtung, sag ich.
01:04:56: Danke. Dank dir.
01:04:58: [Musik]
01:05:00: Bei mir ist jetzt wieder Katia Schwingshandl,
01:05:09: die Chefredakteurin der Buchkultur.
01:05:11: Katia, was gibt es bei euch in der Redaktion Neues?
01:05:13: Jetzt gerade dieser Tage
01:05:15: erscheint
01:05:17: unser neues Heft
01:05:19: und also jetzt ist quasi
01:05:21: die Leipziger Buchmesse passé.
01:05:23: Die nächste große Buchmesse mit Frankfurt
01:05:25: steht dann schon quasi
01:05:27: an dem Herbst. Da ist Italien,
01:05:29: das Gastland.
01:05:31: Und nachdem ich ein riesen Italien-Fan bin,
01:05:33: das kann ich irgendwie nicht verhehlen,
01:05:35: habe ich mir jetzt schon
01:05:37: einen ganz coolen
01:05:39: italienischen Auto als Coverautor
01:05:41: ausgesucht. Das ist der Sacha
01:05:43: Naspini
01:05:45: und von dem wurde gerade sein
01:05:47: zweiter Roman auf Deutsch
01:05:49: übersetzt. Der hat schon auf Italienisch
01:05:51: wahnsinnig viele Bücher geschrieben
01:05:53: und wird jetzt gerade quasi so ein bisschen
01:05:55: entdeckt. Das erste Buch,
01:05:57: das übersetzt wurde, war schon total
01:05:59: witzig. Also das heißt Nives
01:06:01: und da geht es um
01:06:03: eine Frau, deren Mann ist gestorben,
01:06:05: die ist total einsam auf einem Bauernhof
01:06:07: und die holt sich das
01:06:09: Huhn Giacomina ins Haus.
01:06:11: Nur, also sie ist dann
01:06:13: gleich viel glücklicher,
01:06:15: mit diesem Huhn auf dem Nachkastel
01:06:17: neben sich schläft sie viel besser.
01:06:19: Nur eines Tages
01:06:21: schaut dieses Huhn zu lange
01:06:23: und bewegt sich daraufhin nicht mehr.
01:06:25: Und
01:06:27: die Nives ruft dann eben
01:06:29: den Tierarzt an und
01:06:31: dieses Buch ist eigentlich
01:06:33: ein verschriftliches Telefonat
01:06:35: und da werden die
01:06:37: tiefsten Geheimnisse
01:06:39: dieses Dorfes, wo sie wohnt,
01:06:41: ausgepackt. Also es ist das allein war schon
01:06:43: wahnsinnig genial und da habe ich mir gedacht
01:06:45: dieses zweite Buch, das heißt
01:06:47: auf Italienisch "Le Casa del malcontento"
01:06:49: und auf Deutsch
01:06:51: übersetzt jetzt "Hinter verschlossenen Türen".
01:06:53: Das hat sich auch schon sehr toll
01:06:55: angelesen und dann habe ich mir das ausgesucht.
01:06:57: Spannender Plot.
01:06:59: Ich wäre schon vermutet, dass das Huhn
01:07:01: vielleicht die Wiedergeburt des Ehemanns
01:07:03: ist.
01:07:05: Genau, so ist es nicht abgedriftet.
01:07:07: So ist es nicht abgedriftet, aber klingt
01:07:09: spannend. Welchen Tipp hättest du noch,
01:07:11: was jetzt Italien Literatur betrifft?
01:07:13: Konrad Holzer hat sich
01:07:15: drei schon
01:07:17: im letzten Jahrhundert
01:07:19: erschienene italienische Romane
01:07:21: angeschaut, die jetzt
01:07:23: alle in Wiederübersetzung, in Neuübersetzung
01:07:25: erschienen sind.
01:07:27: Unter anderem zum Beispiel von der
01:07:29: Elsa Morante "La Storia".
01:07:31: Das war schon
01:07:33: 1974 ein großer internationaler Erfolg
01:07:35: und das ist jetzt
01:07:37: neu übersetzt von Maja Pflug
01:07:39: und Klaudia Ruschkowski
01:07:41: im Wagenbach-Verlag erschienen
01:07:43: und da geht es eben um die
01:07:45: Verwitwete Ida, die mit ihren Söhnen
01:07:47: im faschistischen Rom
01:07:49: sich irgendwie durchs Leben schlägt.
01:07:51: Das wäre so ein bisschen mein
01:07:53: Tipp.
01:07:55: Und überhaupt nachdem Italien
01:07:57: gerade so in aller Munde ist
01:07:59: ein Buch, auf das ich mich jetzt schon sehr freu,
01:08:01: das ist jetzt noch nicht in der Ausgabe
01:08:03: drinnen, das ist von Alberto Grandi,
01:08:05: das heißt "Mythos Nationalgericht"
01:08:07: und der
01:08:09: zerpflügt da quasi
01:08:11: alle großartigen
01:08:13: italienischen Mythen, also Italiener/innen sind
01:08:15: ja wahnsinnig stolz auf ihre Küche
01:08:17: und er zeigt
01:08:19: das ein bisschen, hm, eigentlich
01:08:21: sind eure Produkte
01:08:23: gar nicht so originell
01:08:25: oder originär italienisch, zum Beispiel
01:08:27: die Pachino-Tomate
01:08:29: da wird eben, das ist
01:08:31: irgendwie so der Mythos, dass die aus
01:08:33: einem bestimmten Ort in Sizilien kommt
01:08:35: und in Wahrheit
01:08:37: hat die aber 1989 in Israel
01:08:39: das Licht der Welt erblickt
01:08:41: und das ist tatsächlich soweit gegangen,
01:08:43: dass der italienische Landwirtschaftsminister
01:08:45: 2010
01:08:47: einräumen musste, dass
01:08:49: diese Tomate eigentlich ursprünglich von
01:08:51: italienischem Saatgut abstammt.
01:08:53: Ah, immerhin, immerhin, es ist gerettet,
01:08:55: der Mythos ist gerettet. Genau,
01:08:57: auf das freu ich mich sehr.
01:08:59: Also für Kulinarik-Fans
01:09:01: und Italien-Liebhaber
01:09:03: deine Spezialempfehlung.
01:09:05: Absolut, genau. Das ist dann
01:09:07: vielleicht in der nächsten Buchkultur
01:09:09: nachzulesen. Ja, das wäre schön, dafür
01:09:11: Eine Anregung. Genau.
01:09:13: Dann danke ich dir Katia. Danke dir auch.
01:09:15: [Musik]
01:09:29: [MUSIK]
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