03 Zadie Smith und Martin Thomas Pesl: Ein Backstage-Treffen

Shownotes

Anfang November las die Londoner Autorin Zadie Smith im Wiener Konzerthaus aus ihrem neuen Buch »Betrug« (Kiepenheuer & Witsch). Ihren Kurzaufenthalt in Wien nahmen wir zum Anlass, eine Lesereise einer internationalen erfolgreichen Autorin hinter den Kulissen zu beleuchten. Mit Buchkultur-Redakteur und Theaterkritiker Martin Thomas Pesl, der auch die Veranstaltung mit Smith moderierte, sprach sie über die nationalen Unterschiede des Lesepublikums und über ihr neues Buch. Den Backstage-Einblick komplett macht Martin Thomas Pesl* schließlich im Gespräch mit Petra Gruber: Wie gelingt das Kunststück Literatur auf eine Bühne zu bringen? Wie bereitet man sich auf eine Moderation vor? Wie schlägt man die Brücke von Literatur zu Theater?

Zadie Smith wurde 1975 im Norden Londons geboren. Ihr erster Roman »Zähne zeigen«, 2001 erschienen, wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und ein internationaler Bestseller. Der Roman »Von der Schönheit«, 2006 erschienen bei Kiepenheuer & Witsch, war auf der Shortlist des Man Booker Prize 2005 und gewann den Orange Prize. Zadie Smith erhielt u.a. 2016 den Welt-Literaturpreis und 2018 den Österreichischen Staatspreis für europäische Literatur. Sie lebt mit ihrer Familie in London.

Martin Thomas Pesl lebt als Autor, Übersetzer, Sprecher & Lektor in Wien. Er ist freier Redakteur beim Magazin BUCHKULTUR und Theaterkritiker bei der Wiener Stadtzeitung Falter. In der Edition Atelier u.a. erschienen: »Das Buch der Schurken. Die 100 genialsten Bösewichte der Weltliteratur«.

Transkript

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00:00:00: Intro-Musik.

00:00:21: Gast ist heute Martin Thomas Pesl. Er ist Theaterkritiker, Autor, Übersetzer, Sprecher

00:00:27: und Lektor und BUCHKULTUR Lesern durch seine regelmäßigen Rezensionen und Kolumnen bekannt.

00:00:33: 2016 ist in der Edition Atelier seine "Buch der Schurken. Die 100 genialsten Bösewichte der Weltliteratur" erschienen.

00:00:42: Es folgte darauf "Das Buch der Tiere.

00:00:46: 100 animalische Streifzüge durch die Weltliteratur" sowie "Houston, wir haben ein Problem. Kuriose Geschichten aus der Raumfahrt".

00:00:54: Herzlich willkommen Martin. Hallo Petra, schön hier zu sein.

00:00:57: Martin, du schreibst ja nicht nur Bücher und rezensiert, sondern du verfasst auch Theaterkritiken und moderierst Veranstaltungen, zuletzt eine Lesung mit Zadie Smith Anfang November im Konzerthaus in Wien.

00:01:09: Worauf wir ja auch noch zu sprechen kommen werden, weil du für unseren Podcast auch ein Interview mit Zadie Smith gemacht hast, dass wir später noch hören werden.

00:01:17: Wie kommt es zu dieser Vielfalt an Beschäftigungen und Tätigkeiten?

00:01:20: Das frage ich mich selber manchmal. Ich habe eigentlich übersetzen studiert, also Translationswissenschaft an der Uni Wien

00:01:28: und habe mich dadurch mit Sprache, Sprachen beschäftigt. Ich habe außerdem immer gerne gelesen und neben dem Studium

00:01:37: halb amateurhaft, also eigentlich komplett amateurhaft Theater gespielt und habe mich daher für diese ganzen Bereiche

00:01:46: interessiert und offenbar gehöre ich zu diesen Persönlichkeiten, die nicht anders können als ihre Hobbys zu Berufen zu machen.

00:01:55: Das führt dazu, dass ich eigentlich keine Hobbys mehr habe mittlerweile. Aber auch, dass ich vielen dieser Dinge, die mich interessieren und ich gerne mache, nachgehen kann. Das ist jetzt die Zusammenfassung. Im Detail

00:02:08: müsste man das historisch nachverfolgen, wie eins zum anderen geführt hat. Was macht dir von den vielen Tätigkeiten am meisten Spaß? Gibt es etwas, wo du sagen würdest, das würde ich auch machen, wenn ich kein Geld dafür bekommen würde?

00:02:22: Jetzt bin natürlich verpflichtet als professioneller Mensch zu sagen, nein.

00:02:28: Also was ich wahrscheinlich auch machen würde, ohne Geld dafür zu bekommen, ist ins Theater gehen. Da würde ich dann,

00:02:34: in einer anderen Welt, sogar Geld dafür bezahlen, was ich jetzt nicht tue. Aber ich würde es deutlich seltener machen als jetzt. Also der Besuch von Theatern ist im Moment eigentlich meine Haupttätigkeit und sehr oft

00:02:48: schreibe ich dann auch darüber, andere Male sitze ich als Juror drin für diverse Institutionen,

00:02:56: und gib dann eine Bewertung ab, eine innere oder auch in der Form nach außen gehende. Das bestimmt eigentlich hauptsächlich meinen Alltag. Das heißt, im Moment würde ich sagen am meisten Spaß machen mir

00:03:11: besondere Tätigkeiten zu denen ich nicht so oft komme, wie jetzt letztens diese

00:03:16: Veranstaltung mit Zadie Smith. Die natürlich eine besondere Herausforderung war. Gehen wir noch mal kurz zurück aufs Theater, wenn du sozusagen ja mit Zweck ins Theater gehst, wird das Hobby ja ein

00:03:28: bissel zur Pflicht. Gibt's dann auch Abende, wo du denkst, ich muss das jetzt bis zur Ende ansehen, ich würde vielleicht sonst in der Pause rausgehen, muss aber Kritik drüber schreiben, also muss ich es mir sozusagen bis zum Ende geben.

00:03:42: Ich war zum Glück nie einer, der in der Pause gegangen ist.

00:03:47: Ich bin kein "vor dem Ende Geher", das erscheint mir so absurd, weil ich kann ja auch erst wenn ich das Ende gesehen habe wirklich eine Meinung über das Gesamtprodukt mir bilden, das war immer schon so. Das heißt,

00:04:01: daran denke ich gar nicht, dass ich jetzt gerne gehen würde. Natürlich gibt's manchmal Abende, da weiß ich schon vorher oder weiß nicht aber,

00:04:11: gehe davon aus, dass ich im Nachhinein vielleicht finden könnte, dass das jetzt eine eher überflüssige Zeitverschwendung war, aber das ist gar nicht so oft der Fall und vor allem bin ich grundsätzlich

00:04:26: recht schmerzfrei. Also ich merke das immer erst, wenn ich mit anderen Leuten ins Theater gehe, die mich begleiten, die

00:04:33: dann, wenn es nicht gut ist, irrsinnig ungeduldig werden und so auf Nadeln sitzen und eigentlich am liebsten währenddessen schon rausgehen wollen. Ich denke mir dann, jetzt beruhigt euch doch mal. Ihr seid da drinnen, schaut es euch halt an und nachher

00:04:47: lästert gerne darüber ab und ich mache auch gerne mit, aber jetzt

00:04:51: habt heute mal ein bissl Geduld. Das heißt, ich bin recht schmerzfrei und ich habe kein Problem damit, was natürlich damit zu tun hat, dass ich das professionell mache, etwas Schlechtes zu sehen.

00:05:00: Das ist nicht, es verdirbt mir nicht den Abend.

00:05:04: Meistens. Aber siehst du es sozusagen ein bissl angespannter, konzentrierter in dem Bewusstsein, dass du es kritisieren musst dann?

00:05:13: Also, wenn ich weiß dass ich nachher was darüber schreiben muss, dann habe ich auch immer den Block dabei, notiere mir Gedanken, die ich habe oder Dinge von denen ich denke, dass ich sie vielleicht,

00:05:22: nach dem Ende der Veranstaltung schon gar nicht mehr so parat habe, schreibe ich mir dann auf in einer Kritzelschrift, die nur ich entziffern kann.

00:05:31: Also ich sitze dann anders drinnen als wenn ich einfach nur mich frage, wie hat es mir gefallen oder welche Aspekte daran haben mir gefallen. Angespannt?

00:05:41: Ja, ich denke mal man hat, wenn man ungefähr 300

00:05:46: Theatervorstellungen im Jahr sieht dann schon auch eine gewisse Routine drinnen. Also die Anspannung ist dann eher,

00:05:53: eben bei Moderationen, wo ich selber sind auftreten muss, gegeben. Aber klar es ist eine,

00:06:01: ich lehne mich nicht zurück und mach die Augen zu. Ich schlaf auch nie ein im Theater. Anders als andere. Hängt oft auch mit der Bestuhlung zusammen, dass man nicht einschläft, weil es manchmal gar nicht so bequem ist, zu sitzen. So ist es. Zurück

00:06:14: jetzt vom Theater wieder auf die Bücher. Man könnte die Frage ja auch umlegen auf die Bücher Frage:

00:06:21: Gibt es Bücher, die du nach ein paar Seiten weglegen würdest, wenn du sie nicht rezensieren müsstest? Ist es ähnlich wie bei den Theaterstücken oder liest du brav alles von Anfang bis Ende? Also es gibt so ein paar unrühmliche Beispiele

00:06:34: von Büchern, die ich nicht zu Ende gelesen habe, aber

00:06:37: das plagt mich so ein bisschen. Also ich habe da doch eine gewisse Zwänglichkeit und wenn ich mal etwas angefangen habe, dann

00:06:44: will ich es auch zu Ende lesen. Auch, wenn es ein bisschen eine Qual ist und natürlich ist bei Büchern die Qual

00:06:50: eine längere und eine ausgedehntere, weil allein die Zeit, die man sich mit ihnen beschäftigt, in der Regel länger dauert als eine Theatervorstellung. Aber ich ziehe es dann trotzdem durch. Das Gute bei Büchern ist, ich habe halt

00:07:05: dann Zeit.

00:07:06: Nach welchen Kriterien wählst du eigentlich die Bücher aus, die du für die BUCHKULTUR rezensierst? Mir ist ja aufgefallen, dass es da durchaus eben Vorlieben gibt. Ich sag nur mal Schurken, Tiere und das Weltall.

00:07:20: Die Historie ist ja oder meine Historie mit der BUCHKULTUR ist ja, dass es zuerst dieses Schurken Buch von mir gab 2016 und dann hat

00:07:30: eine der, ich würde sagen die Vor-, Vor-, 

00:07:34: Vorgängerin von Katia Schwingshandl als Chefredakteurin der BUCHKULTUR ist an mich herangetreten, ob ich nicht eine Kolumne machen will. Davor habe ich in der BUCHKULTUR gar nichts gemacht.

00:07:46: Und dann war halt die Idee dieses Schurken-Lexikon, das natürlich mit 100 Einträgen

00:07:52: beschränkt war und unvollständig, fortzusetzen, solange bis eine Vollständigkeit erreicht ist. Natürlich im Wissen, dass das nicht möglich ist und diese

00:08:05: Bücher habe ich mir dann immer selbst ausgesucht, wobei ich versucht habe, anders als im Schurkenbuch, 

00:08:13: eine Geschlechtergerechtigkeit zwischen Autorinnen und Autoren herzustellen. Das habe ich niemandem gesagt. Das ist auch niemandem aufgefallen. Das war nur mein mein eigener kleiner Sport.

00:08:25: Das ist mir auch gelungen. Es ist ja jetzt kürzlich die letzte Schurken Kolumne erschienen und ich glaube, ich bin auf über 50% Autorinnen, ohne, dass ich es jetzt genau nachgezählt hätte. Also diese Entscheidungen habe ich eigentlich immer selber getroffen.

00:08:38: Aus eigenen Vorlieben, Versäumnissen des Originalbuches oder auch, weil etwas Neues erschienen ist, was geeignet war.

00:08:47: Und alles andere, was dann dazu kam, was ich noch an Rezensionen gemacht habe bzw. gibt's ja diese Rubrik "Wiedergelesen", die ich auch

00:08:57: hauptsächlich bespiele. Diese Vorschläge kamen dann eigentlich immer aus der Redaktion und weil ich eh recht viel anderes zu tun habe, war mir das immer ganz recht. Manchmal mache ich dann Vorschläge. Die werden auch,

00:09:08: dann auch angenommen oder auch nicht und so, so kommt's zu den Kriterien. Genau. Ich möchte noch mal zurück auf die Schurken. Was reizt oder reizte dich so an Schurken?

00:09:20: Ja, dass sie natürlich die viel interessanteren Figuren sind in Büchern als

00:09:27: Held/innen oder als die Guten. Da ist immer viel mehr Komplexität da. Gerade, wenn in Genreliteratur so eine Schwarz-Weiß-Malerei herrscht, dann kann man sich fragen, woran das liegt und

00:09:41: wo diese endlos bösen Figuren herkommen und wenn sie dann aber natürlich nicht einfach nur

00:09:46: simpel böse sind, sondern man dann vielleicht auch Gründe herausfinden kann oder sich das Schurkentum nur auf einen bestimmten Aspekt bezieht, dann

00:09:55: wird's umso interessanter und es ist für mich halt ein endloser Quell an Gedanken gewesen und für mich sind Schurken auch

00:10:04: eine Möglichkeit, Interesse an Büchern zu erwecken. Also.

00:10:11: Ich habe angefangen zu schreiben im "Wiener" vor 15 Jahren. Da wurde ich gefragt, eine neu entstandene Kolumne namens "Blitz-Bildung" zu bespielen,

00:10:23: die hatte sich irgendeine Chefredakteurin ausgedacht ohne wirklich drüber nachzudenken was sie eigentlich damit will. Ursprünglich war der Gedanke,

00:10:31: einen Klassiker der Weltliteratur, also es hat ja auch angefangen damals mit "dem Mann ohne Eigenschaften", der ja so das

00:10:37: Paradebeispiel ist für ein Buch, das jeder kennt aber niemand gelesen hat.

00:10:43: Das so darzustellen, dass man auf einer Party drüber reden kann, so als hätte man es gelesen. Ich war so "aha", habe diese Kolumne übernommen und habe es natürlich ganz anders gemacht, nämlich so das es

00:10:56: möglichst Interesse weckt, dieses Buch zu lesen. Also halt irgendwie eine knackige, witzige Darstellung und dieses "Blitz- Bildungs-

00:11:06: Mäßige" habe ich dann auch in das Schurken-Lexikon und dann in weiterer Folge in die Kolumne übernommen. Also einfach immer: was macht so eine Figur oder auch sein Buch sexy oder interessant? Gibt's da vielleicht eigene Anteile?

00:11:21: Am Bösen? Am Bösen. Natürlich. Ganz bestimmt. Aber ich bin natürlich kein geeigneter Schurke für diese Kolumne, weil ganz wichtig ist, dass die Schurken fiktiv

00:11:33: sind. Ja da kann man sich dann auch ein bisschen dahinter verstecken, sozusagen. 

00:11:38: Gibt's dann ja so ein Entlastungsmoment. So isses. Wie liest du? Auf dem Sofa? Am Schreibtisch? Mit Bleistift? Machst du Anmerkungen? Schreibst du in Bücher rein

00:11:50: für die Rezensionen?

00:11:51: Meistens kriege ich sie als PDFs. Das heißt, ich kann den Bleistift gar nicht verwenden. Das heißt, wenn ich mir Zitate raus-

00:12:01: kopiere, dann mache ich das tatsächlich. Also dann markiere ich die und kopiere sie in ein

00:12:06: Dokument hinein zur späteren Referenz. Sehr oft lese ich im Zug, weil ich sehr viel im Zug sitze und am Sofa versuche ich eigentlich

00:12:18: nach Möglichkeit privat zu lesen, was im Gegensatz zum Theater tatsächlich auch manchmal möglich ist.

00:12:24: Und dann mit Bleistift oder ohne? Weil es gibt so die Fraktionen der Anstreicher und Markierer und die komplett aufs Buch achten und keinen Strich mit irgendeinem Stift reinmachen würden. Also ich mag schon neue

00:12:39: Bücher, die möglichst unangetastet sind und wenn ich privat lese, dann streiche ich überhaupt nichts an, sondern dann genieße ich, dass das Buch einfach mir etwas gibt und ich nichts damit machen muss, außer es aufzunehmen.

00:12:52: Liest du jede Zeile oder auch mal quer? Ich lese sehr schnell. Ich hab irgendwie früh

00:13:00: gelernt sehr schnell zu lesen. Zumindest sagen das alle über mich. Und dadurch

00:13:06: muss ich nicht entscheiden querzulesen, sondern schaff es tatsächlich relativ schnell.

00:13:12: Was natürlich manchmal passiert, ist, dass die Gedanken irgendwohin wandern und ich nicht jede Zeile sehr aktiv

00:13:19: aufnehme. Ich glaube, das kennen wir alle als Ausdruck von Müdigkeit und fehlender Konzentration und dann sollte man halt...

00:13:29: Also ich versuche dann zurück zu gehen, zu sagen "nein, jetzt konzentrierst du dich aber und liest diese letzten zwei Seiten aber wirklich".

00:13:37: Es ist ja, es gibt das interessante Phänomen, dass man, wenn man Bücher ein zweites Mal liest, die oft ganz anders liest mit neuer Lebenserfahrung, neuen Dingen, die in der Zwischenzeit passiert sind. Liest du Bücher

00:13:51: auch mal zweimal und wie geht's dir dann damit?

00:13:54: Ich mache, ich habe das Gefühl, ich habe dafür keine Zeit. Ich fände es, also für mich ist es die totale Luxusvorstellung ein Buch, dass ich schon gelesen habe, noch einmal zu lesen und vielleicht irgendwann

00:14:07: wenn es ein bisschen ruhiger ist, werde ich das machen und sehr genießen, aber im Moment

00:14:13: Das ist genauso wie irgendwie in eine Stadt zu fahren die man besucht hat.

00:14:18: Man möchte sie eigentlich gerne noch mal besuchen, aber es gibt doch noch so viele andere Ecken der Welt, die man noch nicht kennt und die viel zu aufregend sind, als dass man jetzt noch mal dorthin fährt wo man schon einmal war.

00:14:28: Das ist bei der Fülle an Dingen, die publiziert werden immer so ein leichter Stressfaktor, dass man

00:14:34: alles was publiziert ist, nie lesen kann. Ich weiß. Ich habe ja auch noch irgendwie 161 Bücher in meinem Regal stehen, die ich noch nicht gelesen habe. Das war so ein Corona Projekt, dass ich die alphabetisch

00:14:46: beginnend

00:14:47: alle abarbeite, aber natürlich sind seitdem noch viel mehr dazu gekommen als ich je lesen könnte. Das heißt dieses Projekt ist auch ein bisschen wie

00:14:57: alle Schurken der Welt zu beschreiben zum Scheitern verurteilt. Interessantes Auslösekriterium.

00:15:03: Du moderierst ja wie gesagt auch Veranstaltungen wie z.Bsp. eben die Lesungen und das in mehreren Sprachen auch. Zuletzt, wie schon eingangs erwähnt, die Lesung mit Zadie Smith Anfang November im Konzerthaus in Wien.

00:15:16: Bevor wir jetzt aber auf die Veranstaltung zu sprechen kommen kurz ein paar Infos zu Zadie Smith:

00:15:20: Sie ist Jahrgang 1975, inzwischen Bestsellerautorin, beschäftigt sich in ihren Büchern mit den Themen Geschichte, Herkunft, Hautfarbe und soziales Ungleichgewicht.

00:15:32: Ihren Durchbruch hatte sie mit dem Roman "Zähne zeigen" und der ist ja inzwischen zum Klassiker der englischsprachigen Gegenwartsliteratur avanciert.

00:15:43: Sie wurde mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet unter anderem mit dem Österreichischen Staatspreis für europäische Kultur

00:15:51: und ihr jüngster Roman mit dem Titel "Betrug" basiert auf wahren Begebenheiten, konkret auf einem der berühmtesten Prozesse Englands nämlich dem Tichborne-Fall

00:16:02: rund um einen jahrelang verschollenen und später vermeintlich wiedergefundenen Sohn einer wohlhabenden Britin

00:16:10: und mit diesem Roman ist sie zurzeit auf Lesetour unter anderem war sie eben Anfang November im Konzerthaus in Wien damit.

00:16:17: Eine Veranstaltung, die du moderiert hast und zwar in zwei Sprachen mit Musikbegleitung und das ist ja ein sehr spannendes Setting. Erzähl mal! Ja das Konzerthaus

00:16:28: macht diese Veranstaltungen und organisiert sie extrem detailgenau und liebevoll. Das hat mich sehr beeindruckt.

00:16:38: Das hat mir auch sehr geholfen. Es war alles gut strukturiert. Wir haben auch vorher, also nach dem Interview, das wir gleich hören werden, bin ich dann gleich ins Konzerthaus gegangen und wir haben mit den

00:16:49: mit der Musikerin, dem Musiker und der Schauspielerin, die die

00:16:53: deutsche Lesung vorbereitet hat, sind wir den Ablauf durchgegangen. Natürlich noch ohne die Protagonistin, aber dadurch

00:17:01: konnte das alles dann reibungslos ablaufen und hat professionell gewirkt und es, die

00:17:07: Lesestellen waren sehr schön ausgewählt, die Musikpassagen waren extrem

00:17:12: passend zu den Lesestellen ausgewählt und es sind dort auch sehr bequeme Stühle auf der Bühne, so dass ich mich sehr wohl gefühlt habe

00:17:22: bei diesem Interview und Zadie Smith auch.

00:17:25: Ja. Englisch ist ja jetzt nicht deine Muttersprache. Wie hast du dich da vorbereitet? Gibt's da spezielles Ritual, dass du hast vor

00:17:33: fremdsprachigen Moderationsabenden? Ich versuche mir möglichst viel möglichst genau aufzuschreiben und vorzubereiten.

00:17:44: Ich meine, ich habe ja,

00:17:45: wie schon gesagt, Übersetzen studiert im Zusammenhang vor allem mit Englisch als erster Fremdsprache. Also ich habe da eine gewisse Übung, eine gewisse Routine, was das Englische angeht. Was glaube ich oder was, wie mir gesagt wurde, auch ein Grund ist, warum

00:17:59: ich gerne für diese Moderationen ausgewählt werde, weil die dann halbwegs flüssig und routiniert ablaufen.

00:18:09: Ich habe trotzdem gerne eine möglichst genaue Vorbereitung, die auch

00:18:18: auf zeitliche Unwägbarkeiten eingeht. Also ich wusste ja, es soll ungefähr 100 Minuten insgesamt dauern.

00:18:26: Man hat mir gesagt, was die Lesestellen und die Musikstellen ungefähr

00:18:31: an Zeit in Anspruch nehmen werden, aber natürlich kann man das alles nicht so genau vorher wissen. Man weiß auch nicht, wie die,

00:18:38: wie die Autorin drauf ist. Bei dem Interview am Nachmittag, wir werden es hören, war sie sehr gestresst, so dass sich ein bisschen befürchtet habe, dass sie mir sehr kurze, knappe Antworten geben wird. Und

00:18:49: dann noch ein paar Fragen mir im Vorhinein aus der Nase gezogen habe im Zuge der Vorbereitung. Es hat sich dann herausgestellt, dass das überhaupt nicht notwendig war und dass sich sehr vieles einfach aus dem Fluss des Abends

00:19:02: ergeben hat. Auch Fragen, die ich nicht vorbereitet hatte, die dann aber

00:19:07: logisch folgten. Wo ich das Gefühl hatte, okay das könnte jetzt die Leute interessieren, es interessiert jetzt auch mich, also frage ich das jetzt. Das

00:19:18: Aber es hilft schon eine gute

00:19:21: Struktur vor sich zu haben, aus der man dann gegebenenfalls auch ausweichen kann oder die man noch flexibel interpretieren kann an so einem Abend. Du hast ja

00:19:29: vor der Veranstaltung, also vor der Moderation, eben das Interview für unseren Podcast mit ihr geführt. Das ist auch hier jetzt ein kleines Experiment sozusagen, weil wir ja jetzt einmal aufs Englische auch switchen im Podcast

00:19:42: und ich würde sagen, wir hören da jetzt gleich mal rein und hören uns das an. Band ab:

00:19:47: Zadie Smith, welcome to our podcast! Thanks for having me. And welcome to Vienna. You just arrived today from Berlin

00:19:54: and you're on a very tight schedule now on your German speaking book tour. Do you find these book tours very challenging or is there a lot you enjoy about them? I think if you were single without children, it would be amazing fun.

00:20:09: But I am not. So it's pretty complicated. There is a lot you have to

00:20:14: organise with teen children and young children and it's hard to do it. Do you prepare in a certain way for readings?

00:20:22: No. So you don't. And do you. But you choose your, the passages your read. Not in Germany apparently or Austria. They just tell you what to read. Yeah. But normally I would choose my own

00:20:32: passages. Yes, that's true. So I suppose there are favourite passages in the book that you 

00:20:38: I think when you're reading you're just choosing whatever works. It's not about favourite passages. It's just about what works

00:20:44: out loud. What explains most of the book. Yeah. And what's brief and what you don't have to explain too much.

00:20:54: I suppose you now perform or read on big stages like the Konzerthaus Vienna tonight. Yeah. Was there ever a time,

00:21:03: because you became famous pretty fast, where you had readings in more intimate book shops? And do you still do those? It's not that I wouldn't do readings in intimate book shops, it's that in England and America they don't

00:21:15: exist really. The book shops don't exist and the readings don't exist. So um 

00:21:19: that part of the industry's just disappeared. Yeah. With Covid? Or even before that? I was talking to my local book shop and they say when they

00:21:28: say there's gonna be a reading, people sign up and then last minute they watch Netflix, they stay at home. So it becomes not very practical, yeah. Sounds sad. Yeah.

00:21:37: Now, "The fraud", your sixth novel, came out in September.

00:21:42: Yeah. I presume you have already done some readings and book parties in English speaking countries. And now the book is out in German. And

00:21:51: here you are.

00:21:52: Do you think it's going to be particularly challenging this time? This being your first novel very closely related to historical events, historical facts and characters that might be

00:22:04: more or less known in Britain or even English speaking countries but apart from Charles Dickens of course not so much 

00:22:12: here. I mean that's true in England too. This story is completely unknown in England and most of the people involved are completely unknown. So it's the same level of difficulty, I think. And in America too.

00:22:22: I remember reading "The blue flower" by Penelope Fitzgerald which is about Novalis and 18th century Germany.

00:22:31: And Goethe. I didn't know anything about any of that, but I loved it.

00:22:36: But the fact that you had your first- have your first historical novel out. 

00:22:46: What- How did it change your writing process? All the historical facts that I think you tried to stay true to.

00:22:55: It's not that different to be honest. It's not. Maybe it feels to readers, but for a writer it's

00:23:01: there is always research. Like in "On Beauty" I had to read a lot about Rembrandt and

00:23:08: Mozart and- There is always something that you have to be getting on with. So this is just more

00:23:13: reading. That's the difference I would make. You have to read for longer. But it's not- it's not so different.

00:23:20: But is it easier by for example choosing a writer, Harrison William Ainsworth, that is basically forgotten

00:23:30: as one of the main characters so maybe you have more freedom in imagining his character? Yes, but there is a lot of- I mean people don't read it, but there is a lot of stuff about him. I mean, there is lots of letters. there is lots of 

00:23:45: journals and diaries. So there is stuff. It's just that nobody cares to read it. And I kind of feel the way Hilary Mantel feels: if you're gonna write something about the truth you might as well, 

00:23:55: you know, tell the truth. Otherwise just write something else. What would be the purpose of? I stuck closely because it was the truth that interested me. 

00:24:04: Was it the Tichborne case that interested you in the first place? That is a very hard thing to answer. I don't really know. It was, you know, twelve years ago that I started thinking about this book. Really? A mixture of Tichborne and 

00:24:17: Ainsworth. The were both local stories so they just kind of came together in my mind.

00:24:23: So in choosing the facts for your first historical novel you chose a person who also wrote historical novels. Yes. Yeah, that's exactly right. 

00:24:36: And he was my neighbor. And- Who's- One of the guests around his table, this young poet called Kenealy grew up to be a lawyer who

00:24:44: was on the Tichborne case. So it was a lot of coincidences all in one. But then you have one character basically who isn't exactly real. 

00:24:53: It's the protagonist Eliza Touchet and I think the person existed, but she died too early to be involved in what's happening in the book. 

00:25:03: And it's also through her lens that we experience most 

00:25:07: of what happens. Now in your earlier books I found amazing how you switch perspectives between different characters: men, women,

00:25:17: white people, Indian people, everybody. And now

00:25:22: in this case we have mostly one perspective. Yeah. Was this a deliberate choice? It's just the way the book turned out. I was thinking about 

00:25:34: different liberation movements basically

00:25:38: women, queer people, black people. And in the 19th century you have everybody trying to get their rights at the same moment

00:25:45: and it could have been written through any of their perspectives maybe, but Eliza was just more-

00:25:50: she was just funny. So she won. Yeah. She is very funny. And she makes a lot of fun of her 

00:25:58: peers. Now as I mentioned the book was published in September. So very recently. The original. Now the German translation follows

00:26:07: two months later. Which means of course that Tanja Handels the translator must have started much earlier

00:26:13: as well as translators into other languages, I presume. How closely do you follow these translation processes? 

00:26:23: Well, the only language I speak apart from English is Italian. So I follow that one. Tanja I don't oversee at all, partly because I know she is very good and 

00:26:33: very fast and I could be of no help any way. So, the only one I am involved in is the Italian and only in a limited way. 

00:26:41: Do the translators agree that you can't help them? 

00:26:44: Well they ask me questions about English colloquialisms and of course I will always answer those. But Tanja is incredibly fluent and never has those questions. 

00:26:52: Now the next question is related to the translations but I have to explain a bit. 

00:26:57: Because there is a bit of a discussion going on in German whether or not to capitalise the "S" in the German word "schwarz" for black. And I noticed 

00:27:08: in your earlier novels, when of course this wasn't a thing, I think. I don't ever capitalised it. So if someone's capitalised it, I didn't choose that. 

00:27:16: No, no. I noticed it now on the new book too. Which of course is a historical novel. So you

00:27:24: don't think it's a good idea? I mean, it's just a ridiculous binary argument I don't want to get into. But, basically-

00:27:31: I mean, Toni Morrison herself refused to capitalise it. And I wrote an essay about Toni Morrison for the New Yorker recently. I think in the middle of 2020. And I had the entire magazine staff

00:27:41: forcing me to change in

00:27:44: a story about Toni Morrison who refused this "B". And all white people telling me to do this. So I think this is really an issue for white people to discuss amongst themselves. I am really not involved. 

00:27:55: That's probably the solution. It's a white people problem. It does seem to be. How do you perceive the non English speaking literary 

00:28:03: world? Also the media? Are the

00:28:07: reviews in a way different? Well, I can't read them. So there's that. But, I guess most English writers would say the German scene is the most

00:28:19: serious with

00:28:21: an incredibly patient audience. Like if you read to an English audience, you read for about 2 minutes and that's more than enough. In Germany you'll sit and listen for hours, hours. So it's a different culture completely. 

00:28:33: But each one has it's different flavours. French

00:28:36: scene is very intellectual, very philosophical. The American scene is very emotional I would say. So they are different in kind.

00:28:47: And Austria in particular? I mean you were awarded the Austrian state price for European literature in 2018. Yes I believe I made the 

00:28:56: politician walk out of the event. 

00:28:58: I remember that vaguely. Because I was talking about fascism and he was some kind of a fascist so he left. It was 2018. So we had a- He was a fascist, yeah. 

00:29:08: Austria? I mean I don't know. I know Austrian literature which of course is 

00:29:12: extremely serious and quite perverse and strange. So. And you have a very noble tradition. 

00:29:19: Do you have a special connection to Vienna? Did some memories come back? I don't think I've ever been here as a kid. But then I didn't travel much as a kid. So my only experience of it probably is 

00:29:32: book events. I think my most memorable experience is they made a play of "The Embassy of Cambodia"

00:29:37: in Vienna and they set it in a swimming pool. Yes, I was there. That was really cool. That was very cool. So that is my main memory. The swimming pool play. 

00:29:46: Perfect. Then maybe we'll add another memory tonight. Yes. Thank you very much Zadie Smith for being on the podcast. And see you tonight. See you tonight! Excellent. 

00:29:57: Ja Martin du hast ja schon vorher bissl darüber gesprochen wie der Abend dann war, war's denn eine Challenge für dich auch vor der Veranstaltung das Interview mit ihr zu führen?

00:30:08: Es war natürlich eine ungewöhnliche Situation. Ich habe das auch vorher mit dem Konzerthaus abgeklärt, ob das für die in Ordnung ist dass ich quasi

00:30:15: das gleich noch zweit verwerte diese Moderation zu der ich da beauftragt bin. Ich

00:30:22: war mir auch nicht sicher, ob Zadie Smith wissen wird, dass ich die selbe Person bin. Das ist ja bei diesen professionell organisierten Superstars

00:30:32: der Literatur

00:30:33: immer bisschen schwierig. Man weiß ja nicht, wie sind die drauf, wie sind ihre Agenten drauf oder die Verlagsleute. Das Interview hat dann in einem Hinterzimmer des Hotel Altstadt

00:30:45: stattgefunden und war auch sehr schnell vorbei wie wir gehört haben. Was natürlich gut für mich war, weil ich dadurch genügend Zeit hatte noch ins Konzerthaus zu gehen.

00:30:56: Es war eine gewisse Nervosität da, aber gleichzeitig hat's mir auch geholfen

00:31:02: sie schon mal kennenzulernen, bevor ich ihr dann auf der Bühne begegne, weil ich dadurch einschätzen konnte

00:31:09: was man fragen kann, wie sie

00:31:13: reagiert auf etwas ungewöhnliche Herangehensweisen. Also wir haben ja in dem Interview auch nicht nur über das Buch gesprochen z.Bsp. Manche sind da recht heikel. Hat aber für sie grundsätzlich gepasst.

00:31:25: Also all diese zwischenmenschlichen Dinge so ein bisschen ablesen zu können, war für mich recht hilfreich.

00:31:31: Ihr habt sehr spannende Themen angesprochen, finde ich, unter anderem wie

00:31:36: Leserreisen in unterschiedlichen Ländern mit unterschiedlichen Publika funktionieren.

00:31:43: Ich fand das schon sehr spannend, dass sie eben gemeint hat in Deutschland, Österreich, also deutschsprachigen Ländern würden die Leute sehr geduldig zuhören, die Franzosen, die dann eher so ins Philosophische gehen, die Amerikaner die dann eher emotionaler sind

00:31:58: und die Briten, die gar nicht erst zu einer Lesung gehen. Also wo man- wo man sozusagen gar keine Lesetouren in kleineren

00:32:07: Räumlichkeiten oder Buchhandlungen machen kann. Was ich auch super spannend fand, war die Frage über das

00:32:16: Capitalising "S", also im Zusammenhang mit der Schreibweise des Begriffes "schwarz". Sie hat ja da sehr interessante Meinung dazu.

00:32:26: Ja ihre Meinung ist,

00:32:28: dass sie das überflüssig findet bzw. dass sie das nie gemacht hat und dass es ein, also ich glaub sie hat es German Problem genannt, was sie glaube ich in Wirklichkeit meinte "it's a white people problem". Was ich natürlich amüsant finde und recht

00:32:42: großartig finde, dass das etwas ist, womit wir uns auseinandersetzen und plagen, wie wir richtig sprechen und es ist ja auch gut ,dass wir uns diese Fragen stellen.

00:32:52: Richtig sprechen, richtig schreiben, so dass wir niemanden verletzen und sie als Person of colour kann die Schulter zucken und sagen "ja macht das halt, aber ich schreib so wie ich es für richtig halte". Das

00:33:06: hat mir sehr zugesagt.

00:33:08: Ja, also ich fand das einfach sehr, sehr ehrlich und so spontan dann zu sagen "ja es ist ein Problem mit dem ich mich überhaupt nicht befasse. Ihr vielleicht, aber ich nicht." Natürlich, die

00:33:18: englischsprachige Welt hat auch das große Glück sich in wesentlich geringerem Maße als die deutschsprachige Welt mit dem Thema Gendern auseinandersetzen zu müssen.

00:33:28: Es gibt das Wort "they", das immer schon verwendet wurde, wenn das Geschlecht einer Person nicht benannt wurde oder irrelevant war.

00:33:37: Oder auch einfach

00:33:39: bewusst nicht benannt werden sollte. Diese Möglichkeit gibt's und alle anderen Begriffe, Substantive sind nicht geschlechtlich festgelegt. Es ist

00:33:48: sehr beneidenswert, weil wir müssen uns mit dem Problem natürlich herumschlagen und es gibt die einen, die es stante pede ablehnen, es gibt die anderen, die daraus wiederum große Unruhe ziehen und

00:34:03: das führt dann zu Konflikten, die viel größer gemacht werden, als sie eigentlich sein müssten. In Wirklichkeit und das sage ich halt jetzt auch als jemand der Übersetzungen macht oder Texte lektoriert, ist es ein sehr praktisches Problem.

00:34:19: Aus dieser Warte wird's eigentlich selten betrachtet. Es ist einfach etwas, was es gibt

00:34:24: und womit man irgendwie umgehen muss. Also du gehst ja auch eben als Übersetzer bei deinen Rezensionen auch auf die Arbeit der Übersetzer genauer ein, was ich sehr spannend finde, weil dann immer so am Ende noch so ein kleiner Schlenkerer

00:34:37: kommt, wie das Buch jetzt übersetzt wird, wenn es nicht deutschsprachige Bücher sind. Und- Ich tue, was ich kann. Gleichzeitig weiß ich aber natürlich, das in der Welt der Übersetzer/innen

00:34:48: genau diese kleinen Schlenker

00:34:51: oder dass man dann eine Übersetzung als kongenial oder holzschnittartig oder hölzern oder so bezeichnet, nicht gerade für Befriedigung sorgt. Es ist halt leider so, dass man auf 1500 Zeichen

00:35:05: eh schon relativ wenig unterbringen kann und ich versuche etwas auch über die Übersetzung

00:35:10: unterzubringen, weil ich weiß dass die Übersetzenden sehr oft einfach ignoriert und nicht

00:35:16: bedacht werden, obwohl sie auch sehr viel Arbeit hatten mit dem Ding. Durch meinen Hintergrund habe ich halt einen gewissen Blick darauf.

00:35:24: Natürlich wäre es noch besser, wenn man noch mehr Platz hätte.

00:35:30: Sich auch das Original durchlesen könnte und wirklich profunde etwas über die Übersetzung sagen könnte, nicht nur ein kleines Satzzerl. Aber ja,

00:35:37: ich tue, was ich kann. Ich finde es auch interessant, auch darüber hat ja Zadie Smith Interessantes gesagt, weil du sie ja gefragt hast, ob sie dem

00:35:45: Übersetzungsprozess folgt und sozusagen ihre Übersetzer auch so ein bisschen begleitet während der Übersetzung der Bücher und sie hat dann irgendwie

00:35:54: gemeint, es würde wenig Sinn machen in Sprachen, die sie selber nicht kann bis auf das Italienische eben. Das beherrscht sie. Wo sie erwähnt hatte, dass sie es beherrscht. Das finde ich auch einen sehr interessanten Zugang, dass man dann sagt ich muss das dann irgendwann einmal aus der Hand geben auch und geschehen lassen und

00:36:09: dem Übersetzer vertrauen.

00:36:12: Was ich auch sehr interessant fand, ist, zum Thema Übersetzungen hast du mal ich glaube es war beim Buch "Shy" von Max Porter geschrieben

00:36:19: über die beiden Übersetzer und ich zitiere jetzt:

00:36:23: "Es ist ihnen gelungen die Wortschöpfungen und den Slang in einen ähnlich düsteren und vibrierenden Sound zu übersetzen. Dass Deutsch letztlich eine vergleichsweise unsexy Sprache ist, dafür können sie nichts." 

00:36:37: Wann ist eine Sprache für dich sexy und wie

00:36:40: gelingt's einem, den Sound einer anderen Sprache zu übersetzen? Ja, wenn ich das wüsste, dann würde ich wahrscheinlich mehr übersetzen und wäre selber irgendwie ein sexy Übersetzer.

00:36:53: Welche Sprache ist sexy für mich? Also ich finde Englisch tatsächlich sexy, weil's diese kurzen Wörter hat, weil's diese Flexibilität hat

00:37:03: in der Wortstellung und weil man einfach so viel flapsiger und eleganter so viel mehr sagen kann, wofür man auf Deutsch

00:37:15: mehrere Nebensätze bräuchte um es exakt wiederzugeben.

00:37:20: Das gefällt mir schon sehr gut. Das hat einfach- Ich mein nicht umsonst finden Popsongs in der Regel auf Englisch statt.

00:37:27: Ja, ich beherrsche ja jetzt selber auch nicht so viele Sprachen,

00:37:32: aber- Über das Französische wird auch oft gesagt, dass es sexy ist. Mich stört halt am Französischen wahnsinnig, dass die Endungen immer alle verschluckt werden. Dafür habe ich kein Verständnis. Und dementsprechend finde ich es auch nicht so sexy.

00:37:46: Aber ich fands auch spannend, weil du jetzt sagst die Endungen verschluckt:

00:37:51: du bist da auch sehr auf der Hörebene. Sprichst eben vom Sound einer Sprache. Wie gelingt es dir dann so diese Gefühle, den Sound der Sprache zu transportieren in Übersetzungen? Du hast ja selber auch schon übersetzt.

00:38:06: Ja ich versuche z.Bsp. dafür zu sorgen, dass die- Wenn ich jetzt z.Bsp. aus dem Englischen ins Deutsche übersetze, dann versuche ich darauf zu achten, dass

00:38:15: der Text im Deutschen nicht wesentlich länger wird als im Englischen. Grundsätzlich ist ja

00:38:21: Deutsch immer länger als Englisch. Das sieht man ja auch dann an der Seitenzahl von Büchern. Ich glaube, "Infinite Jest" von David Foster Wallace hat im Original 1000 Seiten und die deutsche Übersetzung von Ulrich Blumenbach hat 1500

00:38:34: oder so ungefähr. Also es wird unweigerlich länger,

00:38:38: aber wenn man versucht sich zu beschränken auf- Es hat ja einen Sinn, warum ein Satz eine gewisse Länge hat und wenn man versucht, das wiederzugeben, vielleicht sogar auf Kosten des ein oder anderen Inhalts,

00:38:50: dann ist es schon ein Schritt.

00:38:52: Man muss dann natürlich wiederum entscheiden, welche Inhalte sind die, auf die man verzichten kann, welche Nuancen und letztlich muss etwas in der Zielsprache funktionieren.

00:39:01: Das ist, finde ich als Übersetzer,

00:39:04: sehr wichtig. Also wichtiger als jetzt einer Ausgangssprache gerecht zu werden, ist für mich, dass

00:39:12: die Menschen der Zielsprache einen Text lesen können, den sie gerne lesen.

00:39:16: Du bist ja dreisprachig auf jeden Fall. Also jetzt auch in der Übersetzung und muttersprachlich ja auch ungarischsprachig.

00:39:27: Träumst du auch in allen drei Sprachen?

00:39:30: Beschäftigt dich dann, wenn du übersetzt oder wenn du einen Abend moderierst es so, dass es sich dann auch in den Träumen manifestiert?

00:39:38: Wenn dann als Fremdsprache.

00:39:41: Also wenn die anderen Sprachen in meinen Träumen vorkommen, dann sind sie glaube ich mir immer als Fremdsprachen bewusst. Also ich denke und träume schon grundsätzlich Deutsch.

00:39:49: Also du switchst dann nicht in der Beschäftigung dann in die andere Sprache, die sich dann sozusagen auch ins Leben verlagert. Nein, ich bin leider

00:39:57: nicht in diesem Maße ein Muttersprachler. Da beneide ich ein bisschen diejenigen, die wirklich zweisprachig aufgewachsen sind, aber meine Mutter war eben Ungarin und hat mir Ungarisch auch schon früh beigebracht, aber sie hat eben immer auch Deutsch mit mir gesprochen.

00:40:11: Und deswegen. Und die Leute, die nicht Ungarisch

00:40:16: können, die glauben mir das immer nicht. Sind immer beeindruckt "oh du kannst Ungarisch", aber ich kann es halt einfach wirklich nicht so gut,

00:40:22: wie ich es können könnte unter anderen Umständen. Ich habe auch nie in Ungarn gelebt. War halt immer nur auf Besuch bei Familie, bei Großeltern und da beschränkt man sich natürlich auch auf bestimmte Themen. Also ich war nie in Ungarn

00:40:36: an einer Schule. So gewisse Slang-Entwicklungen habe ich nicht mitgemacht. Deswegen übersetze ich zum Beispiel auch

00:40:43: nach Möglichkeit nicht ins Ungarische. Das ist einfach mir zu fern. Es fehlt mir die Übung. Da gibt's andere, die das besser können.

00:40:53: Also ich bin eigentlich kein zweifacher Native, sondern es sind Fremdsprachen. Aber halt welche, mit denen ich mich sehr intensiv und

00:41:03: auf professionellem Niveau auseinandergesetzt hab oder auseinandersetze. Und auch gern, wie man ja hört. Oh ja ich lese sehr gerne Ungarisch.

00:41:12: Also ich find das Ungarische ja auch vom phonetischen und vom Klang eine sehr faszinierende Sache. Sexy? Sexy - genau. Das wäre ein schönes Buch jetzt: Welche Sprache ist die most sexy Sprache. Aber es hat schon was.

00:41:27: Und ja, es spricht einen dann ja jede Sprache

00:41:30: unterschiedlich danach an und auch der Sound natürlich. Meine Frau mag es auch, wenn ich Ungarisch spreche. Ich selbst kann die Sexyness von Ungarisch jetzt nicht so nachvollziehen, dadurch dass ich eben vor allem mit Großeltern sie verbinde bzw. mit meiner Mutter,

00:41:44: aber sie hat gewisse Besonderheiten und auch da gibt es Dinge die sich eigentlich gefühlt nur in dieser Sprache ausdrücken lassen und das genieße ich schon sehr.

00:41:54: Das ist ja auch immer was faszinierendes, dass es für bestimmte Dinge und bestimmte Begriffe oft in

00:42:00: in unterschiedlichen Sprachen passendere Wörter gibt, die dann in anderen Sprachen fehlen. Es ist, finde ich, auch immer sehr faszinierend. Absolut. Und immer sehr spannend. Was mich jetzt noch interessieren würde: Du hast ja jetzt sozusagen

00:42:14: zwei Bücher mit Hunderter Nummern sozusagen als keine Vorgabe geschrieben.

00:42:22: Eigentlich fehlt jetzt noch das Buch mit den 100 schönsten Pannen im Theater.

00:42:28: Oh! Aber gibt es das nicht schon? Also ich wüsste- ich wüsste nicht. Also es klingt nach etwas, was es eigentlich schon geben müsste,

00:42:36: und wenn, dann ist es glaube ich nicht etwas, was ich schreiben sollte, sondern eine Regieassistentin oder irgendwie eine Person, die im Theater hinter der Bühne alles mitbekommen hat. Aber ja, vielleicht ist es nächste Buch ein theater-

00:42:49: spezifisches

00:42:50: und kein literaturspezifisches. Gibt es schon irgendwelche Ideen? Gibt es schon was jetzt abgesehen von der alphabetischen Reihenfolge, in der du liest oder lesen möchtest, deine Regale sozusagen aufarbeiten möchtest? Gibt es irgendwas was dich jetzt reizen würde es nächstes?

00:43:03: Ich bin gerade so sehr drinnen in meinen Jury Tätigkeiten und einfach in einer anderen Welt, dass sich da konkrete Ideen nicht manifestieren können, aber

00:43:17: der Wunsch wieder irgendwas zu machen, ist sicherlich da.

00:43:21: Dann sind wir gespannt, was als nächstes kommt. Martin, dank dir sehr für dieses Gespräch und ja toi toi toi für alle weiteren Vorhaben. Danke dir, Petra. Es war sehr schön.

00:43:31: Music.

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