01 Eva Reisinger: Rache ist nie leise

Shownotes

»Männer töten«, das scheint im fiktiven Dorf Engelhartskirchen in Eva Reisingers gleichnamigem Roman an der Tagesordnung zu stehen … Denn irgendetwas ist anders in diesem Ort, in dem selbst das Fußballteam und die Pfarrerin weiblich sind. Im Gespräch mit Petra Gruber erzählt die gebürtige Oberösterreicherin von ihrem Weg hin zum ersten Roman, davon, was sie wütend macht, welche Bücher sie nachhaltig beeindruckt haben und warum das Motiv Rache in ihrem Buch so eine große Rolle spielt.

Eva Reisinger ist 1992 geboren, wuchs in der oberösterreichischen Provinz zwischen Zeltfest und Wodkabull auf. Sie studierte in Wien Journalismus, arbeitete in Medienhäusern in Hamburg, Berlin und Istanbul. Ab 2017 baute sie einen Österreich-Schwerpunkt für das junge Medium der ZEIT auf und berichtete als Korrespondentin aus dem Nachbarland. Ihr erstes Buch »Was geht, Österreich?« erschien 2021 bei Kiepenheuer & Witsch. Für ihren Debütroman erhielt sie das Start-Literaturstipendium der Stadt Wien. Sie lebt als freie Autorin mit ihrer Hündin Frieda in Wien und träumt vom Matriarchat.

Shownotes

Buch-, Film- und Serientipps:

Oyinkan Braithwaite: »Meine Schwester, die Serienmörderin«

Mareike Fallwickl: »Die Wut, die bleibt«

»I May Destroy You«

»Killing Eve«

»Promising Young Woman«

Transkript

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00:00:00: Intro-Musik.

00:00:41: Herzlich willkommen zu unserem Podcast bei uns geht's heute unter anderem um Frauen, die Männer töten,

00:00:48: wie man einen Erstlingsroman schreibt und produziert und darum was es mit Playlists und Songtexten in Büchern auf sich hat.

00:00:56: Zu Gast in unserer ersten Ausgabe von Tonspur BUCHKULTUR ist Eva Reisinger mit der ich gleich über ihren Roman Erstlingen "Männer töten" sprechen werde.

00:01:06: Davor aber noch ein kleiner Blick hinter die Kulissen der Zeitschrift BUCHKULTUR: bei mir sitzt jetzt Katia Schwingshandl, Chefredakteurin der BUCHKULTUR.

00:01:14: Die uns in jeder Ausgabe erzählt was die Redaktion gerade besonders beschäftigt, Katia. Hallo.

00:01:22: Also wie das eben so ist eine Woche nach Reaktionsschluss trudeln eigentlich immer noch die Texte für die Oktober Ausgabe ein.

00:01:30: Aber wobei wir kopfmäßig eigentlich schon in der Dezember-Ausgabe drinnen sind.

00:01:34: Ja, uns beschäftigt eigentlich gerade recht stark das Thema "climate fiction" ich habe auch irgendwie

00:01:42: das Gefühl gehabt, dass besonders auch in den letzten Ausgaben immer wieder recht passende Bücher dazu zusammengekommen sind, Romane.

00:01:51: Also jetzt in letzter Zeit wahrscheinlich ist T.C. Boyle ein Begriff oder letztes Jahr war Franziska Gänsler "Ewig Sommer", also dieses Thema ist recht breit und natürlich kann man das

00:02:03: ganz klassisch

00:02:04: Richtung Apokalypse, Dystopie angehen, es kann gehen um den steigenden Meeresspiegel, die Flüchtlinge, das Artensterben, Brände, wie eben bei Franziska Gänsler zum Beispiel.

00:02:18: Richtung Artensterben fallen mir ein Bücher, wie "Der Letzte seiner Art" von Sibylle Grimbert oder "Der gemeine Lumpfisch" von Ned Beauman. Genau und was wir jetzt gemacht haben und das sind eben die Texte, mit denen ich mich jetzt gerade beschäftige.

00:02:32: Und zwar haben wir jetzt für die neue BUCHKULTUR nämlich Fakt und Fiktion mehr oder weniger zusammen gewürfelt.

00:02:40: Also Zukunftsszenarien, wie sie in Romanen entworfen werden wie z.B. im neuen Roman von Ilija Trojanow "Tausend und eine Morgen" oder von Bov Bjerg "Der Vorweiner". Das haben wir jeweils zusammengewürfelt mit Sachbüchern

00:02:54: und unsere Rezensentinnen und Rezensenten haben eigentlich auch recht persönlich und privat drüber geschrieben also das ist extrem spannend was da dabei rausgekommen ist.

00:03:05: Natürlich macht das auch diesen weiten Raum auf von

00:03:09: Dystopie, Utopie. Also wir haben für das aktuelle Österreich Heft z.B. auch ein

00:03:16: Interview geführt. Martin Thomas Pesl hat Ilija Trojanow interviewt.

00:03:21: Und eben Trojanow, der lotet ja recht stark, in diesem neuen Roman, die Grenzen des menschlichen Denkens aus, und er ist der Meinung z.B. eine Dystopie zu schreiben ist super einfach. Also nur in das Negative reinzugehen ist super einfach aber

00:03:36: Utopie ist eigentlich das Schwierige, also tatsächlich die möglichen Denkräume eines Menschen.

00:03:43: Sehr spannend! Du bist ja gedanklich jetzt schon sozusagen bei der Dezember Ausgabe. Eigentlich schon, also natürlich muss ich ein bisschen warten

00:03:54: bis alle Vorschauen erschienen sind und bisschen auch die aller Neuesten.

00:03:58: Titel angekündigt sind, aber sowas wie z.B. eine neue Kolumne die uns dann im Dezember erwartet

00:04:06: die muss natürlich schon früher geplant werden und genau das wird auch eines der Dinge sein die uns dann im

00:04:13: Dezember erwarten, aber da verrate ich noch nicht mehr. Da wir sind schon sehr gespannt und ich sage jetzt herzlich Willkommen zu Eva Reisinger bei uns.

00:04:22: Hallo, danke für die Einladung. Eva Reisinger, 1992 geboren, wuchs in der oberösterreichischen Provinz zwischen Zeltfest und Wodkabull auf.

00:04:32: Sie studierte in Wien Journalismus, arbeitete in Medienhäusern in Hamburg, Berlin und Istanbul.

00:04:38: Ab 2017 baute sie einen Österreich Schwerpunkt für das junge Medium der ZEIT auf und sie berichtete als Korrespondentin aus dem Nachbarland

00:04:48: Deutschland. Ihr erstes Buch "Was geht, Österreich?" erscheint 2021 bei Kiepenheuer und Witsch und wurde

00:04:56: auch gleich ein großer Erfolg, darf ich an dieser Stelle gleich sagen, und für ihren jetzigen Debütroman erhielt sie das Start-Literaturstipendium der Stadt Wien

00:05:06: und sie lebt als freie Autorin mit ihrer Hündin Frieda.

00:05:10: in Wien und träumt vom Matriarchat. Eva Reisinger, super, dass wir dich hier haben können. Wie kams von

00:05:20: "Was geht, Österreich?" also von diesem sehr schrägen Ratgeber, der Österreicher erklären soll, zum Roman "Männer töten"?

00:05:29: Ja, also.

00:05:31: Österreich als Thema, die Provinz, war schon da beim ersten Buch wo es viel geht um Aufwachsen am Land in Oberösterreich und damals war

00:05:42: Der Versuch den Deutschen Österreich ein Stück zu erklären. Das ist das, was wir machen wollten. Es war damals eine sehr spannende politische Zeit.

00:05:51: Ibiza war gerade, der Ibiza Skandal ist gerade aufgekommen und ich habe damals als

00:05:56: Österreich Korrespondentin und auch mit dem Schwerpunkt also wirklich alle Hände voll zu tun gehabt, weil jede Woche hat es neue Nachrichten über Österreich gegeben und Sebastian Kurz war sogar auf der New York Times etc. Also die ganze Welt war an Österreich interessiert

00:06:12: und wir haben damals mit unserem Schwerpunkt natürlich sehr von diesem Interesse profitiert und

00:06:18: der war damals sehr breit aufgestellt. Also wirklich von klassischen politischen Reportagen hinzu Porträts, aber auch zu Kommentaren und ich habe damals die Anfrage von KiWi bekommen, ob ich ein Buch machen möchte

00:06:31: und davor, ehrlich gesagt habe ich mir nie Gedanken gemacht, dass ich ein Buch machen könnte. Ich war klassische Journalistin und

00:06:40: eigentlich immer sehr glücklich mit den Artikeln und dann habe ich zum ersten Mal mit dem Buchprojekt begonnen und habe gesehen, ja, was man da für Vorteile hat. Also wie

00:06:51: lange man Zeit hat an dem Thema zu arbeiten und nicht wie im Online-Journalismus, es passiert was und im besten Fall geht ein paar Stunden später schon der Artikel online

00:06:59: und das habe ich sehr genossen und.

00:07:03: Es war dann, ich kann mich noch genau erinnern, der Jänner 2019, da war mein erstes Buch auch noch nicht erschienen, aber es war schon in Arbeit und

00:07:15: damals war wieder so einen Höchststand, also es war Ende Jänner und 6 Frauen wurden damals schon ermordet.

00:07:21: Und es ist dann so hoch gerechnet worden, wenn es in diesem Tempo weitergeht, was dann dieses Jahr noch passiert und ich hab damals dann den Auftrag gekriegt ein klassisches

00:07:31: journalistisches Feature über Femizide in Österreich zu machen und der Titel damals war "Österreich, das Land der Frauenmörder"

00:07:38: und ich habe damals dann mit vielen Expertinnen gesprochen und habe die Mordfälle beschrieben etc und.

00:07:46: dann habe ich, wie der Artikel online gegangen ist, ihn selbst nochmal gelesen.

00:07:50: Mit ein bisschen Abstand und das hat in mir was ausgelöst. Ich hab das Gefühl gehabt, ich habe jeden Satz davon schon mal gelesen und es berührt mich irgendwie selbst gar nicht mehr, wo ich selbst so eine junge Frau bin und ich hab mir gedacht, es ist so arg, dass man schon so

00:08:04: abgestumpft ist, weil es ständig,

00:08:06: Es werden eigentlich seit Jahren die gleichen Dinge gefordert, nichts davon wird umgesetzt und man schaut halt zu wie die Frauen ermordet werden am Land. Das hat mich

00:08:14: so wütend gemacht, dass ich mir gedacht habe, ich würde mich gerne mit dem Thema beschäftigen.

00:08:20: Und ich habe dann damals so auf einen Zettel, so wirklich geschmiert, so ein paar Wörter. So Femizid, Matriarchat, Oberösterreich.

00:08:29: Männer töten ist damals noch nicht gestanden, aber irgendwie so Frauenmacht oder so. Und diese Idee hat mich nie wieder loslassen und wir wissen ja, die Situation hat sich nicht verbessert. Die Zahlen sind

00:08:40: dezent runtergegangen aber das Femizid Problem ist geblieben und die Gewalt an Frauen ist geblieben.

00:08:50: Nachdem das erste Buch dann erschienen ist, habe ich dann wieder so bisschen Zeit gehabt.

00:08:56: Dann habe ich angefangen einfach zu schreiben und so bin ich zum Roman gekommen und ich weiß, es ist ein sehr untypischer Weg, dass man sich einfach hinsetzt und einen Roman schreibt, aber bei mir war es einfach diese

00:09:07: innere Verzweiflung. Ich bin journalistisch nicht mehr weiter gekommen bei dem Thema und hatte so einen Drang etwas zu verändern und das ist für mich nur in der Fiktion gegangen.

00:09:16: Es geht in deinem Roman um ein interessantes Dorf in Oberösterreich, man hört es ja auch am Dialekt.

00:09:23: Ich bin ja selbst auch Oberösterreicherin und werde wahrscheinlich dann in den Dialekt einstimmen. Das ist sowas ganz Natürliches, dass man dann in der gemeinsamen Sprache irgendwann spricht. Es geht

00:09:34: in deinem Buch um einen Ort namens Engelhartskirchen

00:09:40: und es gibt im Buch den interessanten Satz: "Wie soll man Engelhartskirchen jemanden erklären?" Wie würdest du Engelhartskirchen erklären?

00:09:47: Ja, ich glaube, in vielerlei Hinsicht ist Engelhartskirchen der typische Ort in Oberösterreich, aber ich würde sagen überall in der Provinz in Österreich gibt es in Niederösterreich, Kärnten

00:09:58: Tirol, also ich glaube in jedem Bundesland gibt es genau diese Orte, wo es nichts gibt außer eine Kirche, ein Lagerhaus, ein Gasthaus, Friedhof

00:10:07: und ein Fußballverein und that's it. In dieser Hinsicht ist, glaub ich, der Ort sehr typisch und war man dann genauer hinschaut gibt sehr viel von den Strukturen, die es in diesen Ort gibt.

00:10:20: Nur sie funktionieren anders. Es gibt in Fußballverein, in dem spielen aber nur Mädchen. Es gibt eine katholische Kirche aber es gibt nur eine Pfarrerin

00:10:31: es gibt Zeltfeste, aber dort feiern Frauen sehr laut

00:10:36: dort liegen dann z.b. die Flyer von Omas gegen Rechts. Also es sind halt sehr viele Dinge sehr anders als sie sonst in der oberösterreichischen Provinz sind. Meiner Erfahrung nach zumindest und mir war das ganz wichtig, dass

00:10:50: der Ort grundsätzlich funktioniert und möglichst nah an der Realität ist, abgesehen davon, dass es eben, und soviel kann ich verraten, ein Matriarchat ist und so kommen halt viel Strukturen vor und.

00:11:06: Ja, genau mir war das wichtig, dass ist an einem Ort spielt, wo ich mich gut auskenne und das ist bei mir, glaube ich,  Oberösterreich. Du nimmst ja sozusagen auch

00:11:14: Berlin rein. Die Protagonistin oder Hauptprotagonisten von Berlin dann

00:11:20: durch eine Liebesgeschichte nach Engelhartskirchen gespült wird sozusagen und schilderst beide Welten, was ich einen sehr spannenden Kontrast finde.

00:11:30: Und stellst, sozusagen, dem Berliner Großstadtleben so diese ländliche Schein-Idylle mit all ihrer Härte gegenüber. Waren es auch zu dem Zeitpunkt

00:11:42: deine beiden Lebenswelten und wie wichtig ist

00:11:46: dir über beide Lebenswelten so schreiben zu können, dass du sagen kannst, also ich habe in beiden Lebenswelten Erfahrungen und stellt es dann gegenüber oder versucht es zu verbinden.

00:11:57: Ich glaube, dass ist natürlich ein sehr autobiografischer Zugang gewesen. Dadurch das ich gependelt habe zwischen Wien und Berlin. Also ich war 2 Wochen in Wien im Monat und zwei Wochen in Berlin.

00:12:08: Jetzt waren natürlich so diese Kontraste da und ich habe es selbst mit Berlin

00:12:12: teilweise gehadert, das liest man vielleicht auch. Ich habe mir lange überlegt, ob

00:12:19: Berlin eine Rolle spielen darf. Es ist ja in der Literatur,

00:12:24: also, Berlin in Romanen gibt es ja unzählige und muss leider sagen es ist halt einfach ein sehr

00:12:30: ausgelutscht als Thema und ein Klischee zu einem gewissen Teil und ich habe mich dann aber entschieden dieses Klischee aber bewusst zu nutzen, weil es für mich auf Metaebene wichtig war also, dass man sagt

00:12:43: Die Stadt und gerade so eine Stadt wie Berlin, die unglaublich divers ist. Wo so viele unterschiedliche Menschen dort sind, wo so viel feministische Strukturen gibt. Das war für mich so

00:12:56: das Interessante, dass sie dort weg geht

00:12:58: und einen Ort aufsucht, wo man nicht davon ausgehen würde, dass jetzt dort ein Matriarchat ist, dass es dort so feministisch zugeht und das ist etwas mit dem ich versucht habe zu spielen.

00:13:10: Auch die Erwartungen einfach von von der Provinz einmal

00:13:16: nicht zu erfüllen, aber im im positiven Sinn vielleicht. Ich würde es so beschreiben, dass das Matriarchat so funktioniert.

00:13:23: Das Problem selbst gelöst werden und das Gewalt an Frauen durchaus einmal so gelöst wird, dass Männer

00:13:30: verschwinden müssen. Verschwinden müssen ist ein interessanter Satz.

00:13:37: Der mich natürlich zum Kern des Buches bringt. Du schilderst darin sozusagen ein Vorgehen gegen

00:13:47: Gegen ja, übergriffige Männer oder Männer, die Leid verursachen. Wo Frauen dann das

00:13:55: einfach die Dinge in die Hand nehmen und aktiv werden. Für einen Leser oder eine Leserin wirkt es manchmal sehr

00:14:02: distanziert, fast leichtfüßig. Ja also, es hat eine gewisse Emotionslosigkeit mit der in dem Buch dann Morde begangen werden. Was hat es damit auf sich?

00:14:16: Es gibt ja die Triggerwarnung schon auf Seite 1: In diesem Buch sterben Männer.

00:14:21: Insofern ist es logisch, also, dass das passiert. Für mich war dann aber die Frage, wie es passiert

00:14:27: und das ist ja so in der Fiktion, also egal ob das jetzt Literatur ist oder im Film oder in Serien

00:14:34: wird sehr oft, also nach wie vor einfach die Täter Opfer Rollen ganz klar Geschlechterrollen sind. Männer sind Täter, Frauen sind Opfer.

00:14:41: Also wenn man sich z.b. den durchschnittlichen Tatort anschaut oder einen Krimi in die Hand nimmt, ist es wirklich

00:14:49: tendenziell so, dass die Frau eben ermordet wird und für mich war so interessant, dass man das einfach umdreht und vielleicht umdreht mit

00:15:00: einer Macht und einem Selbstbewusstsein, die es so aufgrund der Sozialisierung nie geben würde. Also meine Protagonistinnen haben keine Reue, an.

00:15:08: keinem Zeitpunkt. Sie zweifeln nicht, sie zerbrechen nicht an ihren Taten. Es gäbe viele Möglichkeiten, also so viel können wir, glaube ich, vorwegnehmen. Aber nach den Taten ist keine an einem Punkt, wo sie in

00:15:22: Depressionen versinken würde oder Selbstzweifel kriegen wird, weil das System einfach anders funktioniert. Also Gewalt an Frauen ist in diesem Ort ein Problem, das behoben wird.

00:15:32: Und so emotionslos wird es auch behoben. Und das ist eigentlich das gesamte Gedankenexperiment was ich da gewagt habe.

00:15:40: Darum habe ich mich ja entschieden Belletristik zu machen, Fiktion zu schreiben, weil man da die Chance hat

00:15:45: Machtrollen einfach mal umzudrehen. Ich werde jetzt oft in Interviews gefragt und das ist natürlich nicht die Antwort auf das Patriarchat und auch keine Handlungsanweisung. Es ist eine Antwort und ich glaube es ist

00:15:58: besonders für Frauen ganz wichtig einmal

00:16:03: von solchen Figuren zu lesen. Frauen so handeln zu sehen, weil es trotzdem

00:16:09: nach wie vor Männern, vor allem im Film in der Literatur, vorbehalten ist sich so zu verhalten und wenn Frauen Täterinnen werden sind sie entweder Täterinnen bei ihren eigenen Kindern oder es sind sonst sehr klischeehafte Dinge wie Vergiftung, die man auch schon hundertmal gelesen hat.

00:16:25: Und bei mir gibt es da sehr viel Anlehnungen an Serien und Bücher, die ich sehr toll finde. Wie z.b. "Killing Eve", "I May Destroy You", "Promising Young Woman". Also wenn man das Buch genau liest und diese

00:16:38: Filme und Serien kennt, findet man vielleicht die eine oder andere Stelle, wo ich, ja, einfach einhake.

00:16:48: Für mich selbst was beim Schreiben oft so, dass ich mir gedacht habe, aber wieso fühlt sich das jetzt so komisch an. Aber wenn man es dann umgedreht hat und dann einen Mann das machen hätte lassen,

00:16:57: war es plötzlich nicht mehr so komisch und das war dann für mich immer

00:17:00: der Moment, wo ich gewusst habe, okay, es funktioniert. Ich muss genau das machen, weil das ist ja das was ich erzeugen wollte.

00:17:08: Was ja auch der Titel im Grunde, also diese Zweideutigkeit ist ja genau das gesamte Buch. Männer töten auf der ganzen Welt, in Österreich speziell und in meinem Buch werden sie aber getötet.

00:17:20: Für mich ist das nach wie vor tatsächlich, ja das amüsiert mich, wenn

00:17:24: der Titel provoziert und wenn ich manchmal Nachrichten von Männer bekomme und ich schicke ihnen dann einfach die Femizidstatistiken zurück von Österreich. Ich bin so, Männer töten, brauchen wir überhaupt nicht diskutieren. Mein Approach kann man natürlich diskutieren.

00:17:39: Insofern finde ich es auch sehr interessant, dass man fiktional das einmal umdreht und diese Ermächtigung und die Macht dann

00:17:48: den Frauen gibt. In deinem Buch haben sie die Macht.

00:17:53: Was wir mit dem Podcast auch machen wollen, ist ein bisschen hinter die Kulissen zu schauen in der Buchbranche. Es ist ja dein Erstling, also Erstlingsroman, also nicht Buch-Erstling

00:18:05: "Was geht, Österreich?" war ja dein erstes Buch, aber keine Fiktion, und jetzt "Männer töten", das ist der erste Roman. Wie schreibt man einen Roman und

00:18:15: kommt dann auch dazu, dass der veröffentlicht wird. Wunderschönes Buch übrigens, schön gestaltet

00:18:21: und auch das würde mich dann interessieren natürlich. Wie kam es zur Covergestaltung mit schöner Prägung, schönem Schnitt, gestreift, also es auf jeden Fall

00:18:29: ein so genannter unter Anführungszeichen Hingucker. Also man schaut und

00:18:33: greift das Buch gerne an. Ja vielleicht kannst du ein bisschen über die Entstehungsprozesse erzählen. Wie da die ersten Schritte waren und wie es dann weiterging.

00:18:44: Ich würde mal sagen meine ersten literarischen Seiten waren sehr rudimentär. Ich habe einfach mal angefangen irgendwas zu schreiben.

00:18:54: Hattest du da schon den Verlag? Den Verlag hatte ich noch nicht. Ich war damals schon bei

00:19:00: der Literatur Agentur Petra Eggers. Das heißt, ich war unter Vertrag diesbezüglich und habe auch sehr viel Unterstützung bekommen. Habe Petra Eggers immer wieder Seiten geschickt und

00:19:12: Sie hat immer wieder gesagt, schreib dieses Buch, also tu es. Wir finden einen Verlag und das war für mich damals ganz wichtig, weil das ist eben mein Debüt.

00:19:21: Ich habe davor nie literarisch geschrieben. Ich habe jetzt keine Kurzgeschichten geschrieben und mich damit nie herangetastet, wie man das ja normalerweise macht. Ich hab einfach angefangen.

00:19:33: Das Buch dann selbst war ein sehr langer Prozess. Also die ersten Seiten waren wirklich rudimentär also ich hab immer irgendwas gemacht und man muss sich das so vorstellen

00:19:45: Ich habe mich auch nicht damit beschäftigt. Ich habe auch nichts gelesen zu Creative Writing oder wie schreibt man Literatur. Ich habe einfach geschrieben und habe das dann Test-

00:19:53: Leser/innen gegeben in meinem Umfeld, die auch schon das erste Buch gelesen haben und die waren zum Glück sehr ehrlich und haben gesagt, sie finden die Figuren eine Katastrophe, die Sprache eine Katastrophe, also eigentlich ist alles eine Katastrophe und dann war ich so, ja okay, so geht's nicht.

00:20:07: Und ich würde jetzt im Nachhinein sagen, dass ich damals sprachlich einfach versucht habe

00:20:12: so zu klingen, wie ich dachte, dass ich klingeln muss. Also ich habe versucht so eine

00:20:17: literarisch wertvolle, österreichische weibliche Stimme zu sein, was auch immer das dann heißt. Ich hab mir damals auch dann die Interviews schon vorgestellt zum Buch

00:20:26: und habe mich null damit beschäftigt, funktionieren meine Figuren, meine Geschichte, das System, meine Atmosphäre und habe gemerkt okay.

00:20:36: Back to the basics. Ich hab dann auch Creative Writing Unterricht genommen bei der Ruth Cerha, die selbst Autorin ist, und das hat mir extrem geholfen, weil die hat dann zu mir gesagt

00:20:47: Ich brauche nicht die ganze Zeit das schon an meinem Manuskript zu schreiben. Ich soll jetzt mal so Off-Texte schreiben also

00:20:52: Off-Texte sind ja so: Man lässt die Figuren miteinander z.b. SMS schreiben, Briefe schreiben oder überhaupt Tagebucheinträge, ich habe angefangen

00:21:03: meine Träume aufzuschreiben. Also alles was man dann so macht und habe mich halt ein bisschen gebildet und hab mir viele

00:21:08: Bücher bestellt und habe nochmal neu begonnen. und ich hab mir dann damals gedacht, nachdem mein literarisches erstes Ich dann nicht funktioniert hat, kann ich dann sein, wer ich eigentlich bin und auch so schreiben.

00:21:20: Ich war dann relativ schnell eben bei

00:21:23: Figuren, die jetzt würde ich mal sagen, so demographisch mir sehr ähnlich sind. Die Protagonistin ist 30, Weiß und ist aus Wien, das stimmt jetzt nicht, aber ist in Berlin. Also ich habe mir dann einfach gedacht,

00:21:36: Ich

00:21:36: setze jetzt gewisse Dinge rein die autobiografisch sind, einfach ums mir leichter zu machen, weil ich werde jetzt nicht irgendeinen Ort beschreiben, wo ich noch nie war, wenn ich mich in Oberösterreich so gut auskennen und.

00:21:47: Sowas ist ja sehr umstritten, ob man das machen sollte oder nicht in der Literatur. Mir hat es sehr geholfen, weil ich habe  genug Fiktion mit meinen Personen und dem System dann gehabt, und dem Matriarchat

00:21:57: was ich alles erschaffen habe müssen, dass mir atmosphärisch sehr geholfen mich an Dingen festzuhalten, die ich einfach kenne

00:22:06: Ich habe dann geschrieben, geschrieben, geschrieben.

00:22:09: Und auch immer wieder was verworfen und ich schreibe grundsätzlich sehr stark so, dass ich immer wieder Menschen brauche die das lesen. Es gibt ja Autoren Autorinnen, die zeigen nie was her.Ich binde mein Umfeld

00:22:21: sehr stark ein und ich brauche dieses Echo und das Feedback.

00:22:26: Was teilweise auch sehr hart ist, weil ein nicht fertiges Manuskript da ruckelt es ja an sehr vielen Stellen.

00:22:36: Aber für mich war das ganz ganz wichtig. Ich hab dann eben immer wieder überarbeitet und überarbeitet und dann irgendwann

00:22:43: Ich glaube das war dann nach so eineinhalb Jahren, hat mir die Agentur gesagt, jetzt müssen wir mal weiter machen. Sie würden es nicht so sagen, weil es ist eine deutsche Agentur, aber ich würde es so sagen und ich soll doch jetzt fertig schreiben. Es war schon fast fertig, es war damals gerade.

00:22:57: Buchmesse in Wien und ich war beim Stand von

00:23:02: Leykam und wir haben kurz geredet und ich hab ihnen von der Idee erzählt und das ist wir es bald ausschicken, dass die Agentur es dann an viel Verlage schickt.

00:23:11: der Verlag hat damals schon gesagt, sie wollen es auf jeden Fall lesen und dann bin ich wieder gegangen und hab mir gedacht, ja, cool, zumindest ein Verlag wirds lesen und das es dann tatsächlich der geworden ist, ist einfach

00:23:23: sehr schön, weil und so kann ich vielleicht den Bogen spannen, zu deinem nächsten Thema,

00:23:29: es ist wahnsinnig liebevoll und also, so ehrlich muss man sein, teuer gestaltet also

00:23:35: Die ganze Grafik, das ganze Design hat Hanna Bischof gemacht und ich finde sie hat einen grandiosen Job gemacht und auch der Verlag

00:23:43: hat sich da einfacher getraut ein Risiko einzugehen, denn so ein Buch zu drucken, zu produzieren ist Risiko. Also wir haben die Folie für den Titel,

00:23:52: wir haben eine Farbschnitt außen, wir haben ein Goldband, das sind ja alles Dinge, wo man sich mit dem beschäftigt, einfach Geld kosten, die man dann hoffentlich ja wieder verdient, wenn niemand das Buch kaufen würde, wäre sehr schlimm. Wir sind jetzt sehr glücklich darüber so gut angekommen zu sein.

00:24:10: Das es funktioniert hat, was wir versucht haben zu machen. Also die Idee war einen sehr harten Titel zu wählen und ein sehr

00:24:18: visuell ansprechend, schönes fast Coffee-Table-Book mäßiges Buch zu machen. Meine Lektorin hat immer gesagt, das muss ein Buch sein, was die Männer gerne im Schwimmbad in der Hand tragen, weil es so schön ist so.

00:24:31: das wollten wir machen und

00:24:33: ein Freund von mir hat mir letztens erzählt, dass er im Krapfenwaldlbad war und vier Personen sind mit meinem Buch herum gerannt und ich habe es dann sofort weitergeleitet, diese Anekdote, meiner Lektorin, weil wann genau aufgeht, was man sich da überlegt, ist natürlich

00:24:48: The best case. Das ist wirklich wunderschön geworden und mir ist aufgefallen also von der ...

00:24:55: Du hast es eh schon erwähnt, es gibt am Anfang ein Zitat von Billie Eilish.

00:24:59: Dann eine Widmung natürlich, also wenn wir zu den klassischen Dinge, die ein Buch hat aufzählen, dann die Triggerwarnung "In diesem Buch sterben Männer."

00:25:07: Dann eine, finde ich, sehr spannend: Fragenliste, welche Fragen man sich stellen könnte, wie das Opfer reagiert, das man gerade umbringt, dann natürlich im Abspann

00:25:18: die obligate Danksagung natürlich und es gibt eine Playlist

00:25:24: die dir offensichtlich auch sehr wichtig ist, weil es gibt er immer wieder so kleine Musikzitate. Wie hat sich das sozusagen einbinden lassen und war das dann vom vom Verlag und vom Lektorat unterstützt und gewünscht?

00:25:39: Das war natürlich.

00:25:42: Etwas das ich lange nicht gemacht habe. Also bei mir ist es so, dass jetzt sehr viele Stellen so kursiv sind und das eben wirklich Teile aus Songs

00:25:49: in meiner Sprache vorkommen und ich hab mich das am Anfang lange nicht getraut, weil das kann man doch nicht so machen machen, das ist doch sehr untypischer, will jetzt mal sagen und

00:26:00: ich habe es dann aber gemacht einfach aus dem Grund ich horch sehr

00:26:04: intensiv Musik beim Schreiben und ich horch meistens passende Musik zu den Szenen und mich beeinflusst es natürlich beim Schreiben, was ich mir da die ganze Zeit

00:26:14: reinzieh.

00:26:16: Für mich war das dann so eine Überlegung, warum soll das dann nicht stattfinden in meiner Sprache, wann mich das so stark beeinflusst und ganz viele davon sind ja Referenzen an die Sängerin und den Inhalt et cetera und

00:26:32: Jetzt ist halt zu jeder Referenz, die noch drinnen ist, passt halt auch wirklich perfekt zur Szene: also Haftbefehl ist in der Mordszene, ein türkischer Song, der sehr lieblich ist, ist in einer Mordszene. Also wenn man sich die Songs ganz genau anhört, dann machen die schon Sinn.

00:26:47: Oder passen, weil sie so gar nicht passen. Also ich hab mir da sehr viel überlegt und habe die dann in eine Playlist getan, die man sie auch anhören kann

00:26:54: und für mich ist das schönste, wenn ich Bücher lies, schau ich voll oft, ob die Autoren Autorinnen Playlists haben, weil ich das gerne auch hör, wenn ich lese.

00:27:02: und z.b. Benedict Wells macht es ja sehr akribisch mit, ich glaub, 100 Stunden hat da jede Playlist zu jeden Buch und

00:27:11: der spricht da immer bei seinen Lesunge drüber und das hat mich damalso schon, wie ich dort war, immer so beschäftigt und habe mir dann gedacht, wenn ich dann einen Roman habe, will ich das auch so machen und das habe ich jetzt gemacht.

00:27:22: Ich krieg dafür auch sehr viel Reaktionen tatsächlich.

00:27:26: Ich glaube, mindestens so viele Leute, wie die das Buch lesen, hören die Playlist und es freut mich natürlich wenn sie dann überlegen warum ist jetzt dieser Song an dieser Stelle.

00:27:36: Und was könnte das bedeuten und

00:27:39: ja gleichzeitig ist natürlich auch eine Playlist einfach mit sehr viel weibliche Acts, was wieder, finde ich, ein Thema in sich ist. dass es immer heißt, ja in der Musik, es gibt irgendwie nur Songs von Männern was natürlich

00:27:50: Kompletter Blödsinn ist und was so eine Playlist dann gut beweist, dass es nicht schwierig ist diverse Musik zusammenzustellen

00:27:59: Ein weiteres Thema, das mich natürlich sehr interessiert ist das Thema Austriazismen. Also du hast ja beim Erstling "Was geht, Österreich?" damit gespielt sozusagen oder das war ja das Thema und der Auftrag Österreich zu erklären und österreichische Wörter zu erklären

00:28:13: einem deutschen Publikum oder einem Schweizer Publikum, vieles ist ja gleich in der

00:28:18: Sprache wir sprechen ja alle deutsch, aber natürlich dann doch nicht. Wie lief das dann beim Buch,

00:28:25: mit deinem Lektor, was durftest

00:28:28: drin lassen. Du gehst ja auch sehr sehr positiv, wie ich finde, jetzt sprachlich mit deinem Dialekt, mit Austriazismen um, gab's da irgendwelche Probleme das mal,

00:28:41: dass Du Dich anpassen musstest, dass da was raus gestrichen wurde?

00:28:45: Ja, also das Thema Austriazismen hat mich wirklich tatsächlich beim ersten Buch erstens mehr inhaltlich sehr stark beschäftigt, weil ich ja Austriazismen erklär, darin, aber

00:28:55: ie gehen wir damit um, wenn man ein Buch für Deutschland schreibt und dann verstehen die keinen Satz macht es natürlich keinen Sinn. Damals bei KiWi war es lustig, weil mein Lektor Deutscher war

00:29:04: und insofern haben wir sehr viel Spaß gehabt, weil er sehr viel nicht verstanden hat von dem Buch und es war ein eigener

00:29:10: Lernprozess für mich. Das heißt, da war es klar, wir müssen Dinge erklären, müssen Wörter erklären, die man nicht versteht, sonst funktioniert das Buch nicht. Jetzt beim Roman ist es aber so

00:29:22: Das ich für mich beschlossen habe, die Sprache muss auch zu dem Ort und zu den Personen passen, die es gibt. Aber so

00:29:33: Wörter, die können, finde ich, dann in so einem österreichischen Roman nicht vorkommen. Man kann da nicht vom Brötchen schreiben, es muss eine Semmel sein, weil es ist sonst einfach unglaubwürdig in sich.

00:29:43: Damals beim Schreiben habe ich das einfach so gemacht, wie ich es machen wollte und habe mir ehrlich gesagt gedacht, dass mir dann noch viel herausgestrichen wird oder wir sehr viel diskutieren

00:29:51: werden. Aber zum Glück war der Verlag da von Anfang an so, das ist deine Sprache, du entscheidest und wann du sagst es braucht keine Fußnoten, um das zu verstehen, dann machen wir das nicht,

00:30:01: und ich bin kein Fan von so Fußnoten, weil man dann dort so ein Wort erklärt, die Person ist dann voll draußen und alle, die es es wissen

00:30:10: sind dann halt so mega abgetörnt von dieser Fußnote. Also ich find ein paar Wörter verzeihen einem dann hoffentlich die deutschen Lesenden und die schweizer

00:30:20: Lesenden schon, weil es jetzt keine essentiellen Wörter sind. Also sowas wie viel Flinserl, Semmerl, also ich weiß jetzt gar nicht was alles vorkommt aber das

00:30:31: überlebt man, glaube ich, wenn man das nicht versteht so und ja ich freue mich, dass es genauso

00:30:37: erscheinen hat können und ich halte halt nicht viele davon, wenn man alles erklärt, dann müsst man jeden Song erklären und jede Statistik erklären und viel spricht da einfach für sich und wenn man ein Wort nicht versteht, das ist ja im Englischen genauso, ich les sehr viel

00:30:51: britische Literatur, ich versteh da auch voll oft was nicht

00:30:54: wenn es mal wirklich wichtig ist, googelt man es und sonst ist es einfach okay und ich glaube davon lebt ja die österreichische Sprache.

00:31:03: Und davon lebt sie ja auch am deutschen Markt. Also meistens ist das Feedback, so was ich bisher bekommen habe aus Deutschland: Sie lieben es und auch wenn das mal bedeutet, das man ein Wort nicht versteht.

00:31:12: Ein Wort ist mir natürlih sofort aufgefallen, das drinnen ist, wo ich dann schmunzeln musste. Irgendjemand rastet sich aus und das hat er sehr schöne Konnotation mit also

00:31:24: der übliche deutsche Sprachgebrauch wäre ja ausrasten, man rastet aus und das ist genau das Gegenteil von man rastet sich aus dem österreichischen.

00:31:33: Sich ausruhen. Sich ausruhen und das fand ich eine schöne schöne Metapher fürs ganze

00:31:42: Buch. Weil es hat so eine gewisse Ruhe, wo aber alle ausrasten.

00:31:51: Ich fand das "Was geht, Österreich?", also diesen Ratgeber, auch super, weil du hast es ja alphabetisch nach Kapiteln geordnet so mit Einzelthemen vom

00:32:00: Keller, der natürlich vorkommen muss im Österreichischen, bis zum Lagerhaus bis zum Granteln bis zur Einfahrt der Österreicher, wo beobachtet wird welches Auto steht am Land,

00:32:11: Bis zum Thema rausgehen gehen.

00:32:16: Fand ich auch ein super Thema, weil ich auch so aufgewachsen bin, dass es geheißen hat, man muss mindestens einmal am Tag rausgehen.

00:32:23: Und ich habe gerade am beim Wort "gehen" gibt eine ganze Menge Austriazismen. Ich habe mir ein bisschen was notiert aus deinen Büchern: "das geht sich aus" bis zu "Na geh", "geh".

00:32:37: "Ah geh", also gerade im oberösterreichischen

00:32:41: ist ja das Gehen für vielerlei Stimmungslagen dann ein Wort, das man verwenden kann.

00:32:48: wie kam es dazu, dass du dann auch zum Thema. Das Thema gehen kommt ja, glaube ich, auch im Roman vor. Also gehen und rausgehen ist einfach ein Thema.

00:32:57: Ja, ich bin auch so aufgewachsen. Dieses man muss einmal am Tag rausgehen und man darf nicht den ganzen Tag

00:33:05: ins Fernsehkastl schauen, weil sonst kriegt man viereckige Augen. Also die Stefanie Sargnagel hat da mal was dazu geschrieben, das haben wir, glaube ich, alle mal gehört beim Aufwachsen dieses "man muss rausgehen". Es war schon als Kind meine Antwort: Was soll ich draußen machen, es gibt

00:33:20: nichts bei uns!

00:33:23: Wenn man sich das Buch jetzt genauer anschaut, gibt's dieses Motiv, glaub ich, auch. Sie sind alle wahnsinnig viel draußen, sie machen wahnsinnig viel.

00:33:32: Es gibt nämlich auch die eine oder andere Stelle, wo ich genau mit diesem Wort nämlich spiele: es geht sich aus, na geh. Es kommt schon an einige Stellen auch im neuen Buch vor.

00:33:41: Einfach weil dieses Wort, in so vielen unterschiedlichen Lebenslagen verwendet wird und was zwar meine

00:33:48: Protagonisten als Wienerin versteht, aber was es trotzdem in Oberösterreich einfach viel ... manche Wörter sind dann einfach viel verbreiteter.

00:33:55: Und da haben wir im Lektorat schon oft dann die Diskussion gehabt und da haben wir viel gestrichen zum Teil.

00:34:01: Und Gott sei Dank, wo es nicht wichtig war für den Inhalt. Also weil oft hat man das Gefühl, also ich hab das gehabt, man muss was vom ersten Buch mit ins nächste nehmen.

00:34:10: Da war meine Lektorin zum Glück sehr sehr genau und hat oft gesagt also

00:34:17: da glaube ich spricht jetzt gerade die Journalistin Eva Reisinger, was hat das in diesem Buch zu suchen und dieser externe Blick ist für mich

00:34:27: ganz, ganz wertvoll im Lektorat. Weil oft liest man die Unterschiede zwischen sich, das ist jetzt meine Erzählstimme, und nicht meine Protagonistin selbst nicht mehr und da bin ich ganz, ganz froh, dass wir da einiges gestrichen haben.

00:34:42: Ich bin.

00:34:43: Wie mir vom Lektorat Feedback gegeben worden ist, ich bin da sehr schmerzbefreit, ich habe wahnsinnig viel gelöscht und gestrichen und wir haben das ganze erste Drittel z.b. gestrichen.

00:34:55: Und

00:34:56: Ich lieb das, ich lieb auch Löschen. Ich habe da gar kein Problem damit. Ich weiß, das ist für viele meiner Kollegen, Kolleginnen anders, aber ich finde bei allem Schlechten, hauptsache raus, und, ich finde, das hat auch was sehr befreiendes.

00:35:08: Ich habe davon auch in meinem Schreibprozess extrem profitiert, weil ich soviel gelöscht habe.

00:35:15: Und da halt ganz froh bin, dass es nicht so veröffentlicht wurde, wie es am Anfang mal war und das es auch ein Prozess sein hat dürfen. Auch mit dem Lektorat, da haben wir zwei Durchgänge gemacht.

00:35:27: Aus meiner Erfahrung ist es beim 1. Lektorat immer noch voll gut und man ist voll motiviert und beim 2. ist es dann so ein "Ich kanns nicht mehr lesen" und dann braucht man einfach ein gutes Team.

00:35:37: Ich hab einen tollen Verlag gehabt und eine ganz tolle Lektorin, die gesagt hat, dann übernimmt sie da viel. Ich habe einfach meine eigenen Sätze nicht mehr lesen können, jetzt mittlerweile geht's wieder.

00:35:47: Ich habe gestern meine erste Lesung gehabt für die O-Töne im Museumsquartier, ich kanns jetzt voll gern lesen, aber so dazwischen irgendwann kommt dieser Punkt

00:35:56: also wirklich, da könnte ich aus der Haut fahren, ich kann meine eigenen Sätze nicht mehr lesen. Ich finde es jeden Tag schlechter, wo ich es lies. Ich bin kurz davor das ganze Buch wieder zu löschen und dann ist der Punkt, an dem ich weiß, ich muss

00:36:07: weggehen und einfach den Verlag machen lassen und dann geht's meistens eh nur noch so um Details, aber da hab ich gemerkt dabei, da war ich dann einfach aus als ich finde

00:36:17: da steht man der Veröffentlichung so nahe. Man wird schon nervös und dann findet man plötzlich jeden Satz von sich nur noch beschissen und denkst, das müssen wir löschen.

00:36:29: Das ist so das Kontra, glaube ich, die Kontra-Seite von meiner Mentalität, dass ich so kurz davor bin alles zu löschen, aber ja genau so war es bei den Austriazismen und genauso bei dens Songs, die sind nur noch an Stellen da,

00:36:42: wo ich es gebraucht hab. Bei dir kommt sehr stark weibliche Aggression vor, Rache gewisse,

00:36:49: Gleichgültigkeit, fast Unbeteiligtheit an den Taten. Du drehst ja da ein bisschen den Spieß um, also nicht nur mit

00:36:56: der Verwendung der Waffen, sondern auch mit der Zuschreibung von Emotionen, die man bei Frauen und vor allem mit so einem Kontext nicht vermuten würde.

00:37:05: Ja, voll. Also ich glaube,

00:37:08: Es gibt dir das sehr viel Emotionen, aber dann nicht in der Tat, weil in diesem Ort wird ja nicht diskutiert, wie man da jetzt dagegen vorgeht. Es wird einfach gemacht. Das ist, glaube ich, was sehr

00:37:20: ungewöhnlich ist, dass diese Protagonistinnen eben nie zweifeln, an gar nichts. Davor gibt's jetzt schon sehr viel Gefühle und

00:37:29: das liest man eh schon im Prolog. Im Grunde basiert mein gesamtes Buch

00:37:35: von diesem Gefühl, du bist selbst Opfer von etwas geworden, dir ist etwas genommen worden, deine Grenzen sind überschritten worden, dir ist etwas angetan worden.

00:37:46: Und du bleibst hier für immer das Opfer. Also du bleibst für immer die, die geschlagen worden ist, die vergewaltigt worden ist,

00:37:56: der ihr Recht zu sprechen genommen worden ist, was auch immer und dann bist du in so einem Opferstatus und gleichzeitig ist aber

00:38:05: dieser Rachegedanke ja etwas. Rache ist immer etwas, das das Gegenteil ist eigentlich von Opfer-sein. Nämlich die Tat selbst begehen, selbst Täterin sein, selbst Macht haben, also Rache ist z.B. nie leise, sie ist immer laut.

00:38:19: Das ist sowas, was mich total gereizt hat.

00:38:23: Diesen Rachegedanken einfach mal durchzugehen und Rache ist in der Popkultur gerade ein sehr, sehr beliebter Gedanke.

00:38:31: Ich glaube, da tut sich sehr viele, auch in der Literatur und ich kann mich noch erinnern eines der ersten Bücher, das ich gelesen habe, was in diese Richtung geht war "Meine Schwester, die Serienmörderin".

00:38:43: Und es gibt ein paar so Bücher im Leben, die wird man niemals vergessen. Wie ich das

00:38:49: weggelegt habe, das hat für mich so alles verändert. Für mich war das so bahnbrechend eine weibliche Figur so handeln zu sehen oder das zu lesen

00:38:59: Das das damals, also da war ich noch weit entfernt von meiner Idee, aber das hat in mir so viel ausgelöst, weil ich einfach gemerkt habe,

00:39:06: ich hab so einen Durst noch solchen Geschichten. Ich will Frauen mal in anderen Rollen sehen und lesen.

00:39:13: Und ich ertrage es einfach nicht mehr, gerade wenn wir beim Thema Crime sind, dass jedes,

00:39:21: Heft was in diese Richtung geht oder ein Buch, dass so oft Frauen immer nur die Opfer sind. Davon habe ich einfach schon so genug gehabt.

00:39:30: Zum Beispiel auch "Die Wut, die bleibt", das war auch so ein Buch, was voll viel in mir ausgelöst hat und ich glaube, je mehr wir davon lesen,

00:39:39: Das macht schon was mit uns, also ich bin mir ganz sicher, dass es Auswirkungen hat, wenn man Frauen in Machtpositionen vor sich hat und sei es eben in der Literatur.

00:39:51: Es gibt so viel Serien, so viel Filme, ich kann mich noch erinnern, wie ich aus dem Kinosaal gegangen bin bei "Promising Young Woman". Das war ein Gefühl, sowas habe ich noch nie gehabt. Ich bin auf die Straßen gegangen

00:40:02: und es geht in dem Film, um zwei Freundinnen. Eine davon begeht Selbstmord, nachdem sie vergewaltigt worden ist

00:40:09: und ihre beste Freundin rächt das.

00:40:15: Ich bin da rausgegangen und ich werde diesen Momente nie vergessen. Es ist so eine Poltergruppe von Männer auf mich zugekommen, und es war schon recht spät und

00:40:23: ich glaube, jede Frau kennt normalerweise das Gefühl, das man dann hat, also eher so unangenehm, oh Gott, ich muss da durchgehen und sie werden sicher etwas deppertes sagen et cetera und ich bin da durchgegangen und

00:40:35: ich hab so ein Gefühl in mir gehabt, was ich noch nie gehabt hab. Ich war nur so: Don't fuck with me, so ihr werdet es bereuen und es ist natürlich totaler Blödsinn, es waren zwanzig Männer und ich war allein und es ist nicht gewesen, aber einfach, dass man dieses Gefühl in sich hat,

00:40:48: nicht ständig in dieser Opferrolle zu sein, auch im öffentlichen Raum. Es hat mich so ermächtigt dieser Film und das ja, wenn Bücher oer Filme, dich nicht mehr loslassen und das war, das was ich schaffen wollte.

00:41:00: Würdest du deinen Roman gerne verfilmt sehen, wäre das vielleicht ein Projekt?

00:41:06: Ja, ich glaube, jede Autorin würde ihr Buch gerne verfilmt sehen. Es steht ja hinten im Klappentext, also auf der Rückseite, ein Zitat von Verena Altenberger: "Ich will diesen Film drehen"

00:41:19: Natürlich spiel ich mit dem Gedanken. Es wär wunderschön, wenn es mein Projekt filmisch auch gäbe und

00:41:27: schauen wir mal, wie man in Oberösterreich dazu sagt. Viel Glück und toi, toi, toi und ja ich würde es auch gern sehen und würds mir dann

00:41:36: als Film ansehen. Eva Reisinger, danke, dass du da warst und dass wir dich da haben konnten.

00:41:42: Ja, auf zum nächsten Podcast der in ca 4 Wochen erscheinen wird. Bei mir zu Gast wird Richard Hemmer sein, einer der Hosts des Podcast Geschichten aus der Geschichte

00:41:53: Er hat nämlich mit seinem Partner Daniel Messner, also Ko-host oder 2. Horst, ein Buch über Geschichten aus der Geschichte herausgebracht das im Piper Verlag erscheint.

00:42:04: Ich freue mich schon sehr drauf.

00:42:05: Outro-Musik.

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